Lauter, summender, klingender – Resonanz im tuuwi-Garten

Ein großer Teil unserer – v. a. westlichen – Gesellschaft verbringt viel Zeit damit seine Ressourcen auf- und auszubauen – dabei geht es nicht nur, aber auch um Geld. Ressourcenfixierung ist aber auch in unserer Alltagssprache versteckt, immer dann wenn wir networken oder uns einen Ruf aufbauen wollen.

Das scheint für viele als ein Weg zu Wohlstand und einem damit verbundenen Glück (was auch immer dies bedeutet), aber warum existieren sie dann diese unglücklichen Menschen, die eigentlich alles haben: Geld, Wissen, gute Beziehungen und dennoch unglücklich in ihrem Studierzimmer sitzen.

Rosas Antwort darauf ist fehlende Resonanz.

Resonanzerfahrungen beschreibt er als schwingende, vibrierende Drähte, bei denen sich eine starke Wechselwirkung einstellt. „Etwas ergreift uns und bewegt uns, wir haben einen Kontakt zu diesem anderen“ [1]. Kontakt kann dabei sowohl zu Menschen, Dingen, Wissen – praktisch zu allem – aufgebaut werden. Die gegenteilige Erfahrung sind verstummte Resonanzachsen: Sie treten dann auf, wenn „Beziehungen der Beziehungslosigkeit“[2] entstehen. So etwas passiert, wenn wir uns nicht verstanden fühlen.  

Um das ganze fassbarer zu machen, unterteilt Rosa diese in „mindestens drei Dimensionen […], nämlich eine horizontale Dimension, welche die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen, also etwa Freundschaften oder Intimbeziehungen, oder auch politische Beziehungen umfasst, eine (etwas umständlich) als diagonal bezeichnete Dimension der Beziehungen zur Dingwelt und schließlich die Dimension der Beziehung zur Welt, zum Dasein oder zum Leben als ganzem, also zur Welt als einer Totalität, die wir als vertikale Dimension bestimmen können, weil das empfundene Gegenüber dabei als über das Individuum hinausgehend erfahren wird. In vertikalen Resonanzerfahrungen erhält gewissermaßen die Welt selbst eine Stimme“[3].

Na, findet ihr euch wieder? Im Rahmen des ersten Philosophieabends im tuuwi-Garten haben wir uns nach dem Wunsch der Anwesenden v. a. mit Beziehungen zu Gegenständen beschäftigt. Eine Vorstellung, die gerade in unserer rational-westlichen Welt zuerst sehr abstoßend scheint, denn eine Gitarre ist nun mal eine Gitarre und ein Kuscheltier auch nur ein aus Stoff geformtes Kinderspielzeug – oder nicht?

Habt ihr vielleicht auch ein geerbtes Schmuckstück, was ihr durch nichts ersetzen könntet, weil ihr ein Gefühl damit verbindet, vielleicht sogar ein Glücksbringerglauben damit verbunden ist; kurz: Eine Resonanzbeziehung zum Gegenstand besteht.

Gerahmt wurde unser Philosophieabend durch Musik, Essen, Improspielen und v. a. offenen Menschen, die sich für Philosophie, Soziologie und dem was man im Allgemeinen als Geisteswissenschaften interessierten. Ziel war und ist es Geisteswissenschaften erlebbar zu machen, egal aus welcher Studienrichtung man kommt. Schließlich gehören derlei Theorien eben nicht nur an die WG-Küchentische von LiteraturwissenschaftlerInnen und PhilosophInnen, sondern vielmehr in die Mitte (naja zumindest der studentischen Mitte) unserer Gesellschaft – sie betreffen uns beim zweiten Hinschauen nämlich alle.

Da allgemein ein sehr großes Bedürfnis nach mehr und wieder bestand, habe ich mich dazu entschieden, ein monatlichen Philosophieabend zu gestalten und zwar stets am letzten Sonntag im Monat und ihr seid nicht nur herzlich eingeladen teilzunehmen, sondern könnt euch auch gern einbringen. Dazu steht das Etherpad für alle offen: Es soll tatsächlich als Hauptorganisationsmittel dieser Abende dienen, deshalb klickt wirklich gern drauf, auch wenn ihr nur mal dabei sein wollt.

Außerdem könnt ihr dem zugehörigen Philosophie-Potpourri-Channel auf Telegramm beitreten, gerade wenn ihr euch nicht schon im Tuuwiversum tummelt oder zusätzlich noch Lust auf ein paar Podcast- und Buchempfehlungen für zwischendurch habt.

Nächstes Mal (also am letzten Sonntag im Juli) soll es voraussichtlich nochmal um Rosa gehen, aber spezieller um die Kultur der Digitalität und wie diese Resonanzachsen v. a. im Kontext Bildung verschiebt. Nähere Infos folgen oder noch besser, ihr schaut einfach ins Pad.

Egal auf welchem Weg, ich freu mich von euch zu hören und euch vielleicht am 26.07. im tuuwi-Garten zu sehen, denn um mit Rosa zu enden:

„Resonanzmomente treten dort auf, wo sich plötzlich so etwas wie ein ›Knistern‹ im Saal einstellt, wo sich träge Auseinandersetzungen und der Austausch von Argumenten in ein kollektives Geschehen verwandeln, bei dem sich die Anwesenden unmittelbar gemeint und angesprochen fühlen, bei dem für sie etwas auf dem Spiel steht. Gelingt hier Verständigung, gehen die Teilnehmenden geradezu verwandelt aus der Diskussion hervor – das aber ist ein ganz anderer Vorgang und ein anderes ›Glück‹ als die Erfahrung, sich durchgesetzt, seine Interessen verteidigt oder Recht bekommen zu haben“[4].

 

[1] Hartmut Rosa, Wolfgang Endres, Reinhard Kahl: Resonanzpädagogik: Wenn es im Klassenzimmer knistert. 2., erweiterte, Weinheim Basel: Beltz 2016, S. 126.

[2] Hartmut Rosa: Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp Verlag3 2019, S. 336.

[3] Ebd., S. 331.

[4] Ebd., S. 334f.