Sind Elektroautos wirklich die Zukunft von morgen?

Die letzte Veranstaltung der Umweltringvorlesungen in diesem Semester behandelte das Thema Ressourcen(un)gerechtigkeit. Beate Schurath von INKOTA, Regionalstelle Sachsen berichtete in der Umweltringvorlesung NOCHMAL KURZ DIE WELT RETTEN? – Nachhaltiger Alltag (II) vom Ressourcenhunger der westlichen Welt, Tiefseebergbau und überhaupt nicht nachhaltigen Elektroautos.

Der globale Ressourcenhunger ist inzwischen schier unendlich. Seit 1980 steigt er kontinuierlich an. Und Deutschland gehört zu den größten Ressourcenkonsumenten überhaupt. Unter anderem liegt das auch an einer bestimmten Strategie der Bundesregierung. Sie versucht immer die besten Konditionen für Ressourcenimporte der Industrie auszuhandeln und stetige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die in den Abbauländern aus der Ressourcengewinnung entstehenden sozialen und ökologischen Konflikte werden ignoriert. Dabei ergeben sich aus dem Geschäft mit den Schätzen unserer Erde immer die gleiche Probleme:

  1. Je größer der Ressourcenverbrauch, in umso mehr teils hochsensbile Lebensräume dringt der Mensch mit seinen Maschinen vor, zum Beispiel geschützte Wälder oder die Tiefsee.
  2. Ressourcenabbau im extraktiven Sektor (klassische Energielieferanten wie Kohle und Erdöl, Nichteisenmetalle und Hochtechnologiemineralien) führt unter heutigen Bedingungen immer zur Missachtung von menschenrechtlichen und ökologischen Standards.

Ein weiterer sensibler Lebensraum, welchen die Industrie momentan für sich entdeckt, ist der Meeresboden in tausenden Metern Tiefe. Unterwasserbergbau wird für viele Staaten immer interessanter, da sich aus Manganknollen auf dem Meeresgrund viele für unsere zukunftsweisenden Technologien essentielle Bestandteile wie Lithium und Kobalt extrahieren lassen. Zahlreiche Wissenschaftler*innen warnen jedoch davor, dass bereits kleinste Eingriffe in ein so wenig erforschtes und fremdes Ökosystem zu gravierenden und bleibenden Negativauswirkungen führen könnten. So berichtete Beate Schurath von der Entnahme von Manganknollen-Proben zur wissenschaftlichen Untersuchung, durch die Sedimente vom Meeresboden aufgewirbelt worden waren. Wochen später hatte sich das Sediment noch immer nicht wieder abgesetzt und die Bodenstruktur hatte sich sichtbar verändert.

Aber auch an Land gibt es genügend Missstände. Bei der Vergabe von Abbaurechten werden Menschen von ihrem Land vertrieben, die Rechte indigener Völker mit Füßen getreten, überlebenswichtige Trinkwasserquellen vergiftet und der Grundwasserspiegel drastisch gesenkt. Widerstand durch die ansässige Bevölkerung wird zunehmend gewaltsam bekämpft.

Und was passiert mit dem Land, wenn der Ressourcenabbau beendet ist? Nichts. Bergbauanlagen beispielsweise hinterlassen riesige tiefe Krater, umgeben von kahlen, unwirtlichen Landstrichen. Das Gelände wird in Staaten wie Chile oder Peru – anders als in Deutschland – einfach sich selbst überlassen.

Die ausgesprochene Brisanz des Themas verstärkt sich durch ein Entwicklung, die gern als Instustrie 4.0 bezeichnet wird. Ihre großen Zukunftstechnologien sind alle höchst abhängig von seltenen Erden, die nur in kleinen Mengen im Boden zu finden sind und aufwändig gefördert werden müssen. Und auch wenn die Digitalisierung stetig voranschreitet, bringt der momentante Technologietrend keine Dematerialisierung mit sich, im Gegenteil. Wie Batteriezellen aus Elektroautos umweltschonend entsorgt oder ihre Bestandteile gar in den Stoffkreislauf reintegriert werden können, ist zum Beispiel bisher noch offen. Fest steht nur, es werden immer mehr Elektroautos produziert.

Kobalt, ein wichtiges Konfliktmineral, welches in erster Linie unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wird, ist derzeit übrigens unersetzbar in der Produktion von Batterien. Und die Wissenschaft wird in den nächsten Jahrzehnten vermutlich keinen Weg finden, um die seltene Erde durch ein weniger problematisches Äquivalent zu ersetzen. Allein durch den Kobalt-Abbau im Kongo kommt es zu massiver Luft- und Wasserverschmutzung, Landenteignung, Kinderarbeit, gesundheitlichen Problemen durch Kobaltstaub sowie radioaktives Begleitgestein und vieles mehr.

Auf den Schultern Deutschlands lastet als großem Ressourcenimporteur also auch große Verantwortung. Leider kommen weder die deutsche Industrie noch die Politiker*innen dieser Verantwortung bisher nach. Und deshalb gab Frau Schurath den Anwesenden ein paar ToDos mit auf den Weg:

  1. Weniger ist mehr (Suffizienz): Einfach beim nächsten Handyvertrag kein neues Smartphone sondern ein gebrauchtes oder fair gehandeltes kaufen.
  2. Wer nutzt, trägt auch Verantwortung: Achtet darauf, welche Ressourcen in euren Produkten stecken und hinterfragt, wie sie dort hinkommen.
  3. Aktiv werden: Ein wichtiger Schritt zu mehr Ressourcengerechtigkeit ist eine transparente Produktionskette, mit der Firmen nicht erst im eigenen Werk Verantwortung übernehmen, sondern von Beginn an. Fragt bei den Produzent*innen nach, was sie für die faire Herstellung ihrer Produkte tun oder engagiert euch in Vereinen, die Menschenrechte im Bereich Ressourcen schützen und stärken wollen, wie INKOTA.

Interessante Links zum Thema

  • Environmental Justice Atlas (EJAtlas): Dieser digitale Weltatlas zeigt Konflikte durch Umweltaspekte auf der ganzen Welt, unterteilt nach den betroffenen Bereichen, wie Wassermanagement oder Abfallentsorgung.
  • Fair gehandelte Smartphones? Gibt es schon! Fairphone und Shiftphone machen es vor.
  • Blood in the Mobile: Der Film aus dem Jahr 2010 macht sich auf die abenteuerliche und gefährliche Suche nach den Ursprüngen der seltenen Erden in unseren Handys und wird fündig. Der damals noch branchenführende Konzern Nokia will vom Blut an seinen Handys jedoch nicht wissen.

Text: Theresa Zakrzewski
Bild: Film “Blood in the Mobile”

Akteur*innen für Nachhaltigkeit an der TU Dresden

Wisst Ihr eigentlich, wer an unserer Universität im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit tätig ist? Am Donnerstag, dem 17. Januar hatten alle Teilnehmenden der Umweltringvorlesung NOCHMAL KURZ DIE WELT RETTEN? – Nachhaltiger Alltag (II) die Gelegenheit, die entsprechenden Akteur*innen bei einer Podiumsdiskussion zum Thema “Nachhaltiger Unialltag” kennen zu lernen und ihnen Fragen zu stellen. Zu Gast waren Vertreter*innen folgender Institutionen:

Moderiert von Jana Lintz aus dem Organisationsteam der Umweltringvorlesung, stellten sich alle Anwesenden vor und beschrieben, was genau sie an der Uni für mehr Nachhaltigkeit tun.

18.000 Portionen Essen gehen jeden Tag über die Theken der Dresdner Mensen, eine imense Menge. Dennoch gelingt es dem Studentenwerk, die Abnahme der Gerichte gut zu kalkulieren, so dass kaum Reste entstehen. Viele Zutaten werden frisch angeliefert und das Mittagsangebot wird, je nach Bedarf, in Chargen produziert, damit es immer frisch für die Mensa-Besucher*innen zur Verfügung steht. In der Bio-Mensa stammen alle verkauften Speisen und Getränke, von der Suppe bis zum Gebäck, aus ökologischer Landwirtschaft. Mit dem Verkauf von Thermo- und MensaCups sowie dem 20 Cent-Rabatt für Kaffee in selbigen Behältnissen geht das Studentenwerk bewusst gegen die großen Abfallmengen durch ToGo-Becher vor.
Problematisch: Bei all seinen Bemühungen stehen für das Studentenwerk als Wirtschaftsbetrieb eine positive Bilanz und ein für Studierende vertretbarerer Preis in den Mensen im Vordergrund. Getränke in Einweg-Plastikflaschen zugunsten von Glasflaschen aus dem Sortiment zu nehmen, sorgt beispielsweise mitunter für ausbleibenden Absatz. Hier bedarf es mehr Aufklärungsarbeit aller Akteur*innen, um Studierende und Mitarbeiter*innen für einen umweltfreundlicheren Lebensmittelkonsum zu sensibilisieren. Auch die nicht eingehaltene Mülltrennung in vielen Wohnheimen lässt sich nur schwer kontrollieren. Daraus resultiert meist die Abschaffung der Mülltrennung – alles landet im Restmüll. Anregungen aus dem Publikum wie der Ausbau des vegetarischen und veganen Mittag-und Abendangebotes oder das Freigeben von übrig gebliebenen Beilagen für den Einzelverkauf wurden dankbar aufgenommen.

Die Gäste der Podiumsdiskussion im Gespräch (v.l.n.r.): Julia Leißner, Manja Franke, Christian Weißenfels, Jana Lintz, Dr. Ines Herr, Kathrin Brömmer, Prof. Dr. rer. nat. Stefan Gumhold

Bereits mehrmals führte die tuuwi Vernetzungstreffen durch, zu denen alle Nachhaltigkeitsbeauftragten der Fachschaftsräte eingeladen wurden. Leider ist das Thema Nachhaltigkeit in vielen FSRen noch nicht angekommen weshalb die entsprechenden Beauftragten fehlen. Der FSR Architektur und Landschaftsarchitektur hat mit Christian Weißenfels zum Glück einen sehr engagierten Nachhaltigkeitsbeauftragten. Auf Veranstaltungen des FSR werden demnächst nur noch Mehrwegbecher genutzt, die angebotenen Getränke sind möglichst bio und regional und im FSR-Büro, wird Müll getrennt*. Probleme gibt es noch mit der Beleuchtung in Zimmern und auf Gängen. Oft sind diese Orte hell erleuchtet, obwohl sich dort niemand aufhält. Hinter dem BZW befindet sich ein großer Container zur Abfallsammlung der Fakultät. Hier landen z.B. kaum genutzte oder wiederverwendbare Materialen sowie Modelle. Sauber nach Materialien getrennt, könnten diese dem Recycling zugeführt werden oder Ausgangsstoffe für neue Modelle bieten. Auch hier fehlt noch das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.

Auf universitärer Seite übernimmt das Dezernat 4 die Koordination des Umweltschutzes an der TU Dresden. Wichtige Handlungsbereiche umfassen zum Beispiel Abfall, Biodiversität/ Campusgestaltung, Mobilität sowie Energie. Neben der seit 2003 jährlich zu erneuerden Zertifizierung durch das Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) zeigt sich die Arbeit des Sachgebietes durch Aktionstage, Infoblätter, Müllwegweiser sowie Projekte und Maßnahmen, zum Beispiel dem Anbringen von Nistkästen, der Einrichtung des “Trimm dich-Pfades” oder dem Projekt “Insektenfreundliche Wiesen“.
An Grenzen stößt das Dezernat beispielsweise bei der Auswahl des Stromanbieters und der Stromquelle: Die Universität verwaltet ihren Strom nicht selbst, sondern erhält ihn zusammen mit vielen weiteren Betrieben durch das Land Sachsen. Dieses muss ein entsprechendes Stromangebot öffentlich ausschreiben lassen und letztlich das günstigste Angebot wählen. Zwar hat Sachsen erst kürzlich seine neue Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet, an der Umsetzung und Implementierung in höchsteigene Strukturen scheint es aber noch zu hapern.

Prof. Dr. rer. nat. Stefan Gumhold erklärt Aufgaben und Funktionen der Kommission Umwelt

Die Kommission Umwelt vernetzt die wissenschaftlichen Bereiche der Universität durch Entsandte aus allen Instituten. Zusätzliche Mitglieder sind Gäste von städtischen Unternehmen und Vereinen sowie wichtigen Partner*innen, wie das SIB (Sächsisches Immobilien- und Baumanagement) oder die Stadt Dresden. Die Kommission dient als Ansprechpartnerin, Ideenschmiede, Kommunikationsplattform und bündelt Kompetenzen aus allen Fachrichtungen. Leider ist sie nicht weisungsbefugt, sondern kann nur beratend tätig werden. Tatsächlich ist ihre Präsenz innerhalb der TU ohne eigenen Internetauftritt derzeit noch verschwindend gering.

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*Mülltrennung in den Büros der TU Dresden ist übrigens eher eine Seltenheit. Die Papierkörbe in den Zimmern selbst dienen eigentlich nur der Sammlung von Altpapier. Erst draußen auf den Gängen, teils weit entfernt, kann weiterer Müll getrennt entsorgt werden. Der Verstoß gegen die Mülltrennungsordnung in den Büros ist ein großes Problem.

Ihr habt Verbesserungsvorschläge oder wollt konstruktive Kritik anbringen? Wendet euch gern an unsere Gäste. Hier findet ihr die Kontaktdaten:
Studentenwerk
FSR Architektur und Landschaftsarchitektur
Dezernat 4, Sachgebiet 4.4
Kommission Umwelt

Wusstet ihr schon, dass..
.. unsere Universität ihre eigenen Umweltleitlinien besitzt?
.. ein Projekt namens “Nachhaltiger Campus” in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen, Verwaltunspersonal sowie allen Studierenden einen Plan für eine grüne, gesunde Umgestaltung des Campus’ entwickelt?

Bilder:
-Titelbild: Stephan Schöps
-Bilder Podiumsdiskussion: Theresa Zakrzewski

Text: Theresa Zakrzewski

Veröffentlicht in URV

Von der Umwelt zur Unswelt

Die tiefgreifenden Veränderungen, welche wir Menschen am Planeten Erde vornehmen, haben in der Wissenschaft dazu geführt, dass inzwischen ein ganzes geologisches Zeitalter nach uns benannt wurde – das Anthropozän. Es löst das Holozän – übersetzt “Das völlig Neue” – ab und lässt namentlich zumindest etwas besser erkennen, was maßgebend für das Zeitalter ist: der Mensch. Was das für unser jetziges Leben bedeutet und welche Möglichkeiten der Zukunftsgestaltung bestehen, hat im gestrigen Vortrag der Umweltringvorlesung (UM)WELTBILDER – Weltansichten, Werte und Wirklichkeiten in Kooperation mit dem Institut Integrale Prof. Dr. Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin beschrieben.

Geprägt wurde der Begriff Anthropozän im Jahr 2000 von Prof. Dr. Paul J. Cruzen und er bedeutet, dass der Mensch entscheidenden Einfluss auf das Erdsystem hat. Er wirkt sogar als geologische Kraft. Der größte Teil der Erdoberfläche hat eine menschliche Veränderung erfahren. Wir haben die Meere überfischt. Wir sorgen für höhere Erosionsraten von Böden. Wir haben den CO2-Gehalt in der Atmosphäre in die Höhe getrieben. Nur noch ein Viertel der eisfreien Oberfläche ist noch tatsächliche Wildnis. Wir haben die Populationsdichte der auf der Erde lebenden Arten um 60 % reduziert. Und das alles innerhalb von wenigen hundert, wenn es um die momentane Intensität menschlichen Einflusses geht, sogar innerhalb der letzten 70 bis 80 Jahre. Dabei stellen die Menschen nur 0,01 % der vorhandenen Biomasse unseres Planeten dar.

Seit circa 1950 stellt man in der Geologie einen unverhältnismäßig starken Anstieg menschlicher Eingriffe und Hinterlassenschaften fest. Im Boden finden sich Rückstände von Beton und Industrieasche. Überall ist Plastik. Und natürlich ist auch der radioaktive Fallout messbar. Eine Technosphäre ist entstanden, die bereits erste Technikfossilien hervorgebracht hat. Übrigens könnte man die gesamte Erdoberfläche mit einer Schicht aus Stücken mit einem Gewicht von 50kg pro m² vollständig bedecken. Das entspräche der Masse der von uns geschaffenen Technosphäre.

Prof. Reinhold Leinfelder stellte in seinem Vortrag sehr plastisch dar, wie allumfassend der Mensch sich auf der Erde ausgebreitet und sie in Besitz genommen hat. Wir haben sie in einen schrecklichen Zustand gebracht. Nicht länger dürfen wir uns hinter Ausreden verstecken- kein “Was richte ich allein schon aus?”, kein “Der Klimawandel existiert nicht”, kein “Aber es sind doch die Anderen schuld”. Unser Verhältnis zur Umwelt muss neu ausgerichtet und die positiven Aspekte unserer Anstrengungen zum Schutze des blauen Planten hervorgehoben werden. Nachhaltigkeit muss neu definiert werden- aus den drei im Brundtland-Bericht definierten Sphären muss ein ganzheitliches Bild werden: Ökonomie, Soziokultur und Erdsystem dürfen nicht nur unsere Umwelt sein, sondern müssen, so Leinfelder, zur “Unswelt” werden.

Behandeln wir die Erde wie eine Stiftung, mit einem Zweck und einem Kapital. Werden wir endlich aktiv, führen wir die Kreislaufwirtschaft ein. Nutzen wir Bildung und eigenes Handeln als Möglichkeit für Sinnstiftung in unserem Leben. Das Anthropozän ist weniger ein eigenes Weltbild als eine neue Sicht auf die Welt und so brauchen wir eine komplexere, systemische Sicht auf die Dinge, keine aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelaspekte. Die Wissenschaft hält verschiedenste komplexe Versionen der Zukunft der menschlichen Rasse für uns bereit, auch negative. Und tatsächlich war das Menschenzeitalter bisher eher von unseren negativen Handlungen geprägt. Doch das muss nicht so bleiben. Welche Zukunft wir letztlich haben, entscheiden wir selbst!

Eine noch zugespitztere Version des Anthropozäns, das Kapitalozän, stellt Prof. Dr. Harald Lesch in seinem Vortrag an der TU Ilmenau vom 02.12.2018 vor:

“Das Kapitalozän – Erdzeitalter des Geldes” von Prof. Dr. Harald Lesch

Text: Theresa Zakrzewski
Foto: Henning Wagenbreth

Einweihung eines “Denkmals für das Klima” vor dem Hörsaalzentrum der TU Dresden am 21.01.


Eine Demo mit 50.000 Menschen, ein Klimacamp bei Leipzig, ein extremer Hitzesommer, Rodungsstopp am Hambacher Forst und Blockaden von Tagebauinfrastruktur – was hat das alles eigentlich mit uns hier in Dresden zu tun?

Ziemlich viel! Denn riesige Tagebaue gibt es nicht nur im Rheinland, sondern auch hier direkt vor unserer Haustür. Und der Strom, der aus Braunkohle im Süden Leipzigs oder der Lausitz gewonnen wird, landet hier vor Ort in der Steckdose.

Unsere Bildung ist da nicht ganz unschuldig daran! Denn die Uni ist einer der größten Verbraucher im Land.

Daher starten wir am Montag, dem 21.01.2019 um 12.40 Uhr die Aktion “Bildung für morgen mit Energie von gestern?!”

Wir freuen uns über viele interessierte Menschen vor Ort!

Mit Konsum die Welt verändern? Zu Risiken und Nebenwirkungen von Nachhaltigkeit im Alltag.

Sicher haben sich viele Leute, die etwas Gutes für unsere Umwelt und ihren Schutz tun möchten, schon mal diese Frage gestellt. Und die meisten sind davon überzeugt, dass man mit dem Kauf der richtigen Dinge, mit kritischem Konsum, eine Menge bewegen kann. Wer das jedoch denkt liegt falsch. Zumindest ist das die Meinung von Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt Saasen. Seit Jahrzehnten lebt er bereits ausschließlich von Supermarktwaren aus dem Müllcontainer. Von unser Konsumgesellschaft und dem dahinterstehenden Kapitalismus hält er herzlich wenig. Das gibt er auch gleich in der Begrüßung vor seinem Vortrag diesen Mittwoch in der Umweltringvorlesung Nochmal kurz die Welt retten – Nachhaltiger Alltag II zu verstehen:

“Das wird ein schlechter Abend für alle, die glauben, durch Konsum die Welt retten zu können”.

Er beginnt seine Ausführungen mit einem Süßigkeiten-Beispiel: Auf der Verpackung der Guten Schokolade der Initiative Plant for the Planet findet sich der Spruch, “Stück für Stück die Welt retten”. Dieser Spruch steht stellvertretend für all das, was Konsum-Kritik sicher nicht kann: große Dinge bewegen. Im Laufe seines Vortrages desillusioniert Herr Bergstedt mit seinen Ansichten sicher einige Anwesende im Hörsaal, auch wenn er deutlich sagt, dass es sich eben nur um persönliche Ansichten handelt. Entscheidet selbst, wie sehr ihr euch von ihm überzeugen lassen wollt. Alternativen zum klassischen nachhaltigen Konsum bietet er jedenfalls an.

Das Wichtigste vorweg: Auch Jörg Bergstedt gesteht einem bewussten Konsumverhalten einen gewissen Einfluss auf Veränderung ein. Aber er ist eben viel geringer als gedacht und sehr unspezifisch, manchmal auch negativ. Die Risiken und Nebenwirkungen stehen auf keinem Blatt Papier, sind dafür aber zahlreich und überraschend. Das Schlimme: Auch kein Konsum ist keine Lösung. Denn so lässt man die Gesellschaft mit ihrem schwergewichtigen Problem allein. Aber wie denn dann? Die Antwort auf diese Frage muss ganz bis zum Ende warten. Zuerst demontiert unser Referent sehr drastisch und nachdrücklich Stück für Stück unser wohlgeformtes Bild der Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit durch bewussten Konsum.

Das Problem an der Konsumkritik

Grundproblem der Konsumkritik ist das, was sie mit uns KonsumentInnen macht: Sie gibt uns das Gefühl, mit unserer Nachfrage das Angebot beeinflussen zu können. Tatsächlich ist es jedoch anders herum: Die Produktionssphäre legt das Angebot fest und steuert damit die Nachfrage. Viele Bedürfnisse entwickelt man komischerweise erst, wenn es ein Produkt gibt, das sie bedient. Diese Macht-Illusion des kritischen Konsums stellt uns zufrieden und gibt den ProduzentInnen die Mittel in die Hand, weiterzumachen wie bisher. In ihrer Eigendynamik blendet Konsumkritik viele Problembereiche aus. In Deutschland ist der Kauf von Bio-Lebensmitteln etwas für Menschen mit verhältnismäßig viel Geld, denn die ökologisch produzierten Lebensmittel kosten oft wesentlich mehr als ihr konventionelles Pendant. Autos mit Umweltplaketten sind tendenziell neuere Modelle und oft teurer als alte, gebrauchte Autos ohne Zulassung für die Plakette. So wird laut Bergstedt eine ganze Bevölkerungsschicht kategorisch von der Fahrt mit dem Auto in die Innenstadt ausgeschlossen, weil sie sich die teuren, umweltfreundlichen Autos nicht leisten kann. Zugespitzt gesagt wird der Umweltschutz etwas für die Reichen unter uns. Dabei ergaben Untersuchungen des Umweltbundesamtes, dass der Konsum von Menschen mit besseren finanziellen Mitteln zu signifikant größeren Umweltschäden führen als der Konsum von ärmeren Menschen, da diese insgesamt weniger konsumieren (können).

In der Werbung sieht Bergstedt eine Quelle der Verfestigung traditioneller Geschlechterrollen: Es sind immer Frauen, die beim Einkaufen gezeigt werden, wenn es um Hinweise zu nachhaltigem Konsumverhalten geht. Das nötige Geld stammt noch immer von den Männern im Hintergrund. Bestimmte gesellschaftliche Probleme kann Konsum gar nicht beeinflussen: Krieg ist eine extreme Umweltbelastung, ebenso wie Automobilität. Beides lässt sich augenscheinlich kaum durch den Konsum eines fair und ökologisch produzierten Stückes Schokolade verhindern.

Zu Nebenwirkungen und Risiken

Jörg Bergstedt sagt, dass er den Aufstieg und Niedergang so mancher guter Idee zur Rettung von Natur und Umwelt gesehen hat. So wurden beispielsweise in den 70ern und 80er des letzten Jahrhunderts Foodcoops gegründet auf deren Basis Bioläden entstanden, die Mitglieder mit saisonalen und regionalen Lebensmitteln versorgten. Als die Branche wirtschaftlich wuchs, koppelten sich die Läden von ihren GründerInnen ab, da sie lukrative Verträge mit dem Großhandel nur unter der Bedingung erhielten, keine Lebensmittel mehr an die Foodcoops zu liefern. Es ist die Kommerzialisierung jeder einzelnen guten Idee zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Bergstedt im Laufe der Zeit immer wieder feststellen musste.

Und mit der Kommerzialisierung folgten weitere Missstände. Inzwischen betreiben auch ökologisch und nachhaltig wirtschaftende Betriebe Landgrabbing, Handelsstrecken sind durch die Aufnahme von „Kolonialwaren“ in das Sortiment extrem lang geworden und es wird kaum noch Wert auf Regionalität gelegt. Öko-Produkte sind oft noch weniger nachhaltig als konventionelle, weil sie oft in kleinen Mengen und mit unnötig vielen Plastikschichten versehen verpackt werden. Die Umweltbewegungen selbst sind ebenfalls von diesem Trend betroffen. Wo früher das Ehrenamt vorherrschte, gibt es heute oft bezahlte Stellen. Engagement und Werte gehen auf diese Weise verloren, Prioritäten werden anders gesetzt. Laut Bergstedt konzentrieren sich große Organisationen wie Campact nur noch auf Aktionen oder Themengebiete, die ihnen viele Spenden einbringen. Auch der Rebound-Effekt ist nicht zu unterschätzen. Dinge wie Leuchtmittel werden immer effektiver, verursachen weniger Kosten im Verbrauch und werden deshalb häufiger genutzt als vorher. Oder es werden Einsparungen in einer Konsumbereich durch Mehr-Konsum in anderen Bereichen wieder ausgeglichen.

Besser machen

Doch wohin mit den eigenen Bemühungen, wenn nicht in Konsum, wie uns die Produzenten vermitteln wollen? Glücklicherweise weiß unser Referent hierauf eine Antwort und erklärt im letzten Teil seines Vortrages, auf was es wirklich ankommt, wenn man gesellschaftlich etwas in Richtung Nachhaltigkeit bewegen will. Um die Kommerzialisierung zu verhindern oder wieder aus ihr auszubrechen, müssen wir als KonsumentInnen wieder Einfluss auf die Produktionssphäre erlangen, sie in unseren Besitz bringen. Das klingt recht marxistisch, bringt aber unweigerlich mehr Selbstbestimmung für ein nachhaltigeres Leben und wird bereits praktiziert. In einigen Städten liegt beispielsweise die Energieversorgung wieder in BürgerInnenhand und die Solidarischen Landwirtschaften (SoLaWi) leben erfolgreich Direktvermarktung vom Bauernhof zu den VerbraucherInnen. Letztes Jahr haben wir im Rahmen einer Exkursion eine solche SoLaWi, den Schellehof bei Pirna, besucht und bei der Ernte geholfen. Den entsprechenden Artikel findet ihr hier.

Neben verhältnismäßig passivem Konsum und Wählen sollten wir außerdem mehr auf direct actions setzen, wie Blockaden, Streiks oder Proteste. Und schließlich muss die soziale Frage in die ökologische Frage integriert werden. Wenn wir wollen, dass sich jede/r für Umweltschutz interessiert und ihn gutheißt, muss dieser unabhängig vom finanziellen Status möglich sein und sollte keine Gesellschaftsschichten ausschließen. Und wer trotzdem nicht die Finger von der Konsum-Kritik lassen möchte, sollte sich zumindest gut überlegen, wohin das Geld gesteckt wird. Nämlich nicht in die Blackbox Kapitalismus, sondern dorthin wo wirklich aktiv etwas für die Zukunft unseres Planeten getan wird.

Hier könnt ihr den vollständigen Vortrag von Jörg Bergstedt am 09.01.2019 anhören:

Teil 1:

Teil 2:

Text: Theresa Zakrzewski
Foto: Burhan Khawaja auf pixabay