Sind Elektroautos wirklich die Zukunft von morgen?

Die letzte Veranstaltung der Umweltringvorlesungen in diesem Semester behandelte das Thema Ressourcen(un)gerechtigkeit. Beate Schurath von INKOTA, Regionalstelle Sachsen berichtete in der Umweltringvorlesung NOCHMAL KURZ DIE WELT RETTEN? – Nachhaltiger Alltag (II) vom Ressourcenhunger der westlichen Welt, Tiefseebergbau und überhaupt nicht nachhaltigen Elektroautos.

Der globale Ressourcenhunger ist inzwischen schier unendlich. Seit 1980 steigt er kontinuierlich an. Und Deutschland gehört zu den größten Ressourcenkonsumenten überhaupt. Unter anderem liegt das auch an einer bestimmten Strategie der Bundesregierung. Sie versucht immer die besten Konditionen für Ressourcenimporte der Industrie auszuhandeln und stetige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die in den Abbauländern aus der Ressourcengewinnung entstehenden sozialen und ökologischen Konflikte werden ignoriert. Dabei ergeben sich aus dem Geschäft mit den Schätzen unserer Erde immer die gleiche Probleme:

  1. Je größer der Ressourcenverbrauch, in umso mehr teils hochsensbile Lebensräume dringt der Mensch mit seinen Maschinen vor, zum Beispiel geschützte Wälder oder die Tiefsee.
  2. Ressourcenabbau im extraktiven Sektor (klassische Energielieferanten wie Kohle und Erdöl, Nichteisenmetalle und Hochtechnologiemineralien) führt unter heutigen Bedingungen immer zur Missachtung von menschenrechtlichen und ökologischen Standards.

Ein weiterer sensibler Lebensraum, welchen die Industrie momentan für sich entdeckt, ist der Meeresboden in tausenden Metern Tiefe. Unterwasserbergbau wird für viele Staaten immer interessanter, da sich aus Manganknollen auf dem Meeresgrund viele für unsere zukunftsweisenden Technologien essentielle Bestandteile wie Lithium und Kobalt extrahieren lassen. Zahlreiche Wissenschaftler*innen warnen jedoch davor, dass bereits kleinste Eingriffe in ein so wenig erforschtes und fremdes Ökosystem zu gravierenden und bleibenden Negativauswirkungen führen könnten. So berichtete Beate Schurath von der Entnahme von Manganknollen-Proben zur wissenschaftlichen Untersuchung, durch die Sedimente vom Meeresboden aufgewirbelt worden waren. Wochen später hatte sich das Sediment noch immer nicht wieder abgesetzt und die Bodenstruktur hatte sich sichtbar verändert.

Aber auch an Land gibt es genügend Missstände. Bei der Vergabe von Abbaurechten werden Menschen von ihrem Land vertrieben, die Rechte indigener Völker mit Füßen getreten, überlebenswichtige Trinkwasserquellen vergiftet und der Grundwasserspiegel drastisch gesenkt. Widerstand durch die ansässige Bevölkerung wird zunehmend gewaltsam bekämpft.

Und was passiert mit dem Land, wenn der Ressourcenabbau beendet ist? Nichts. Bergbauanlagen beispielsweise hinterlassen riesige tiefe Krater, umgeben von kahlen, unwirtlichen Landstrichen. Das Gelände wird in Staaten wie Chile oder Peru – anders als in Deutschland – einfach sich selbst überlassen.

Die ausgesprochene Brisanz des Themas verstärkt sich durch ein Entwicklung, die gern als Instustrie 4.0 bezeichnet wird. Ihre großen Zukunftstechnologien sind alle höchst abhängig von seltenen Erden, die nur in kleinen Mengen im Boden zu finden sind und aufwändig gefördert werden müssen. Und auch wenn die Digitalisierung stetig voranschreitet, bringt der momentante Technologietrend keine Dematerialisierung mit sich, im Gegenteil. Wie Batteriezellen aus Elektroautos umweltschonend entsorgt oder ihre Bestandteile gar in den Stoffkreislauf reintegriert werden können, ist zum Beispiel bisher noch offen. Fest steht nur, es werden immer mehr Elektroautos produziert.

Kobalt, ein wichtiges Konfliktmineral, welches in erster Linie unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wird, ist derzeit übrigens unersetzbar in der Produktion von Batterien. Und die Wissenschaft wird in den nächsten Jahrzehnten vermutlich keinen Weg finden, um die seltene Erde durch ein weniger problematisches Äquivalent zu ersetzen. Allein durch den Kobalt-Abbau im Kongo kommt es zu massiver Luft- und Wasserverschmutzung, Landenteignung, Kinderarbeit, gesundheitlichen Problemen durch Kobaltstaub sowie radioaktives Begleitgestein und vieles mehr.

Auf den Schultern Deutschlands lastet als großem Ressourcenimporteur also auch große Verantwortung. Leider kommen weder die deutsche Industrie noch die Politiker*innen dieser Verantwortung bisher nach. Und deshalb gab Frau Schurath den Anwesenden ein paar ToDos mit auf den Weg:

  1. Weniger ist mehr (Suffizienz): Einfach beim nächsten Handyvertrag kein neues Smartphone sondern ein gebrauchtes oder fair gehandeltes kaufen.
  2. Wer nutzt, trägt auch Verantwortung: Achtet darauf, welche Ressourcen in euren Produkten stecken und hinterfragt, wie sie dort hinkommen.
  3. Aktiv werden: Ein wichtiger Schritt zu mehr Ressourcengerechtigkeit ist eine transparente Produktionskette, mit der Firmen nicht erst im eigenen Werk Verantwortung übernehmen, sondern von Beginn an. Fragt bei den Produzent*innen nach, was sie für die faire Herstellung ihrer Produkte tun oder engagiert euch in Vereinen, die Menschenrechte im Bereich Ressourcen schützen und stärken wollen, wie INKOTA.

Interessante Links zum Thema

  • Environmental Justice Atlas (EJAtlas): Dieser digitale Weltatlas zeigt Konflikte durch Umweltaspekte auf der ganzen Welt, unterteilt nach den betroffenen Bereichen, wie Wassermanagement oder Abfallentsorgung.
  • Fair gehandelte Smartphones? Gibt es schon! Fairphone und Shiftphone machen es vor.
  • Blood in the Mobile: Der Film aus dem Jahr 2010 macht sich auf die abenteuerliche und gefährliche Suche nach den Ursprüngen der seltenen Erden in unseren Handys und wird fündig. Der damals noch branchenführende Konzern Nokia will vom Blut an seinen Handys jedoch nicht wissen.

Text: Theresa Zakrzewski
Bild: Film “Blood in the Mobile”