Dresdner*innen gestalten heute ihre Stadt von morgen

Eine Woche lang eine autofreie Neustadt, essbare Pflanzen für alle in ganz Dresden, ein Restaurant, in dem aus weggeworfenen Lebensmitteln leckere Gerichte gezaubert werden. Klingt nach spielerischen Träumen? Klappt ja eh nicht? In Dresden werden sie Wirklichkeit. Im Rahmen des bundesweiten Städtewettbewerbs „Zukunftsstadt“ entwarfen zahlreiche Dresdner*innen Visionen für eine nachhaltige Stadtentwicklung – sozial gerecht, ökologisch vertretbar und unter Einbezug der UN-Nachhaltigkeitsziele. Seit 2015 tüftelten sie in drei Phasen an ihren Ideen, entwickelten Konzepte und eine konkrete Umsetzung im “Reallabor”. Heraus kamen dabei acht Projekte, mit denen die Stadt Dresden den Wettbewerb zusammen mit sieben weiteren Städten gewonnen hat. Fünf der spannenden Bürger*innen-Projekte haben sich bei uns im Rahmen eines City Cafés der Umweltringvorlesung Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt. am Montag genauer vorgestellt.

Alle Dresdner Gewinnerprojekte des Wettbewerbes im Überblick.

Da war Peter, der mindestens zwei größere Flächen im öffentlichen Raum sucht, um Beete für Obst und Gemüse anzulegen. Auf einem Stadtplan zeigte er potenzielle Gebiete dafür. „Essbares Stadtgründ – bürgerschaftliche gepflegt“ lautet der Projektname dafür.
Jaqueline stellte die Idee einer autofreien Neustadt für eine Woche im Jahr 2020 vor. Für eine Woche hat der motorisierte Individualverkehr woanders zu parken. Auf den Straßen sollen Kinder spielen, Nachbar*innen frühstücken, Bands spielen, Menschen auf einer Bank die Ruhe genießen. Eine zweite BRN wollen sie damit nicht erreichen, sondern die autofreien Straßen zum Alltag werden lassen. Natürlich bleibt der Zugang für Lieferfahrzeuge, Krankentransporte und ähnliches erhalten.
An einem anderen Tisch zeigte Maria Fotos von dem Projekt „Zur Tonne“. Rund ein Drittel aller Lebensmittel werden weltweit weggeworfen. Auch die Dresdner Tafel muss tonnenweise Lebensmittel wegwerfen, weil zu viel von den Supermärkten aussortiert wird. Dagegen will die Projektgruppe etwas tun. Momentan kochen sie aus den Lebensmitteln der Tafel für verschiedene Veranstaltungen. Die Vision ist es, ein Containerrestaurant im Neustädter Tafelladen zu eröffenen und jeden Abend zu kochen, damit auch Leute mit sehr geringen finanziellen Mitteln gutes und leckeres Essen genießen können.

Sigrid vom Projekt „Lebensraum Schule gemeinsam gestalten“ erklärt, wie der Schulraum von allen Beteiligten gemeinsam, kreativ und individuell gestaltet werden kann.

Matthias setzt an einer ganz anderen Stelle an. Er ist Teil des Projekts „Stadtteilfonds und -beiräte für nachhaltige und aktive Nachbarschaften“. Sie wollen eine weitere Ebene der Partizipation in der Johannstadt und in Pieschen einführen – die Stadtteilbeiräte. Diese stehen unterhalb der Stadtbezirksräte und werden demokratisch gewählt. Die Wahl läuft dabei jedoch ein bisschen anders ab: Zusammengesetzt wird der Beirat aus 10 Bürgervertreter*innen sowie 10 Vertreter*innen wichtiger Einrichtungen, die viermal jährlich gemeinsam über aktuelle Themen der
Stadtteilentwicklung beraten. Bei den Bürgervertreter*innen müssen jeweils eine Person über 60 Jahre alt sein, eine Person mit Migrationshintergrund, eine Person mit Behinderung, ein*e Ladenbesitzer*in, ein*e Freiberufler*in, eine jugendliche Person und noch zwei nicht näher spezifizierte Personen dabei sein. 2 Euro pro Einwohner*in hat dieser Stadtteilbeirat für Projekte zur Verfügung.
Sigrid stellte die Idee des Projekts „Lebensraum Schule gemeinsam gestalten“ vor. Gemeinschaftlich verwandeln Schulkinder, Lehrer und Lehrerinnen, Eltern und engagierte Bürger*innen das Außengelände einer Schule. Dabei lernen sie direkt und unmittelbar, wie demokratische Teilhabe funktioniert So wird die Betonwüste einer staatlichen Grundschule in einen lebendigen, kreativen, erholsamen Raum für alle verwandelt.

Aber wie soll das alles umgesetzt werden und wer finanziert das eigentlich? Die Umsetzung der Modellprojekte erfolgt mit Hilfe der Stadtverwaltung, der Forschung, verschiedener Interessenverbände und vor allem durch engagierte Bürger*innen selbst. Und gefördert werden diese Projekte durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Insgesamt stehen den Projekten über eine Million Euro zur Verfügung. Dass das alles beim zweiten Blick doch nicht so rosig scheint, erklärt Norbert Rost, freier Mitarbeiter des Zukunftsstadtprojektes. Da gab es immer wieder Schwierigkeiten mit langsamen Verwaltungsabläufen, ungeklärten Zuständigkeitsbereichen in den Institutionen, dem intensiven Zeiteinsatz der engagierten Bürger*innen, die nun schon seit drei an der Umsetzung ihrer Visionen ehrenamtlich sitzen oder Wissenlücken zwischen Forschung und Praxis.
Doch trotzdem sind die Projekte voller Motivation und setzen ihre Visionen in die Tat um. Dafür brauchen sie immer wieder Hilfe und weitere engagierte Teilnehmer*innen. Vielleicht wird eines der Projekte ja in eurer Nachbarschaft umgesetzt!

Die genaue Beschreibung aller Projekte sowie Kontaktlisten finden sich auf dieser Webseite:
Zukunftsstadt Dresden

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Text: Luisa Zenker und Theresa Zakrzewski
Bilder: Luisa Zenker