von Dennis Biba
Am 12. April hielt der Klimatologe Prof. Dr. Werner Kirstein an der TU einen Vortrag mit dem Titel „Klimawandel – wird die Wissenschaft politisch beeinflusst?“. Darin sprach er einem menschlichen Einfluss auf das Klima seine Existenz ab. Wir waren am besagten Abend ebenfalls vor Ort und möchten nun zu Kirsteins Vortrag Stellung beziehen.
Der anthropogene Klimawandel sei nichts als eine Lüge, von unseriösen Klimawissenschaftlern in die Welt gesetzt, um die sogenannte „große Transformation“ voranzutreiben. Die Umsetzung dieses perfiden Plans verbinde dreierlei: Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Deindustrialisierung, oder auf lange Sicht: Die Rückkehr ins finstere Mittelalter. Über das Klima lassen sich allgemein keine klaren Aussagen machen. Und wenn doch, dann nur solche, die nicht wissenschaftlich belegt sind.
Eines müsse man gleich zu Beginn klarstellen – so der Klimatologe – Klima und Wetter seien zwei unterschiedliche Dinge, die man nicht miteinander verwechseln dürfe. Später führt er die 1 m hohe Schneedecke im Februar 2013 im Allgäu als Beweis auf, dass es gar keinen Klimawandel geben könne.
Und noch an manch anderer Stelle widersprach sich der Kritiker im Laufe des Abends selbst. Dass die globale Durchschnittstemperatur weiter ansteigt, lässt sich auch den gezeigten Statistiken entnehmen. Dabei handele es sich jedoch nur um eine von vielen klimatischen Schwankungen der Erdgeschichte, erklärte Kirstein. Übrigens gebe es auch gar keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kohlenstoffdioxid und dem Klima. Kurzfristige Korrelationen, sogenannte Scheinkorrelationen, suggerieren Kausalität, wo auf lange Sicht keine bestehe. An anderer Stelle behauptet Kirstein allerdings, es bestehe doch eine Kausalität, nur eben umgekehrt: Der Anstieg der Temperatur verursache durch Herauslösung aus den Meeren einen Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre. Mit dem Kohlenstoffdioxid, das von den Menschen in die Luft gepustet wird, habe das nichts zu tun. Am Ende heißt es dann plötzlich, die Temperatur steige seit einigen Jahren überhaupt nicht mehr an. Offensichtlich hielt der Klimatologe es für überflüssig, sich für eine dieser Erklärungen zu entscheiden. Auch hatte er keine Scham, Irrtümer aus dem 19. Jahrhundert (die Rede war von einer gefrorenen Kohlenstoffdioxidschicht in der Atmosphäre) als Beweis dafür aufzuführen, dass alles, was danach gesagt wurde, ebenfalls falsch sein müsse.
Aber Kirstein ging noch einen Schritt weiter. Er glaubt zwar nicht an einen anthropogenen Klimawandel, hält diesen aber eigentlich für wünschenswert. Schließlich profitieren viele tropische Pflanzen von einer mit Kohlenstoffdioxid angereicherten Luft. Warum also nicht der Abholzung der Regenwälder mit einer Erhöhung des Kohlenstoffdioxidausstoßes entgegenwirken? Darauf hätten wir aber auch früher kommen können!
Die Spitze seines argumentativen Eisbergs sparte er sich aber für den Schluss auf. Und wie schon die Wahl der Metapher nahelegt, liegt ein Großteil davon auf unterseeischem Niveau. Greenpeace habe der Welt ins Gesicht gelogen. Eisbären seien nicht von der Eisschmelze bedroht, aus einem so einfachen wie genialen Grund: Sie fressen gar kein Eis, sondern Seehunde. Damit sollte endgültig bewiesen sein, dass wir alle einem großen Trugschluss auf den Leim gegangen sind. Es ist davon auszugehen, dass auch bei deutlich höheren Temperaturen die Seehunde nicht zu schmelzen beginnen werden.
Überhaupt sei alles, was in den Medien zum Klimawandel gesagt wird, gelogen. Kirstein stützte sich dabei auf Zitate von Ulrich Teusch, Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer. Aber Moment: Keine dieser drei Personen bezog sich dabei auf den Klimawandel. Während Teusch in seinem Buch „Lückenpresse“ wesentliche Aspekte der Krise des Journalismus herausarbeitet, kritisieren die letzteren beiden vor allem die unausgewogene Kriegsberichterstattung. Der Klimawandel ist dabei gar kein Thema. Im Gegenteil, böse Zungen könnten sogar einwenden, dass gerade die Marginalisierung dieses Themas ein Indiz für die Einseitigkeit mancher Medien ist.
Also mal ernsthaft. Gerade bei gesellschaftlich derart relevanten Themen wie dem Klimawandel ist eine gesunde Skepsis natürlich nicht nur erwünscht, sondern sogar notwendig. Wer diese Skepsis aber als Feigenblatt nutzt, um polemisch zu werden, hat das Konzept der Meinungsfreiheit ganz offensichtlich nicht verstanden. Das Leugnen von wissenschaftlich bewiesenen Fakten und eine Gegenüberstellung mit in sich widersprüchlichen Scheinargumenten kann dabei nicht zielführend sein. Warum wird eine derartige Veranstaltung an der TU von höherer Stelle nicht kommentiert? Unsere Universität beherbergt genug Expertinnen und Experten in Umweltfragen, um sich kritisch mit Personen wie Kirstein auseinanderzusetzen – doch diese wurden (ebenso wie die tuuwi) nicht informiert. Wir denken, dass unsere Exzellenzuniversität auch abseits medienwirksamer Großveranstaltungen ein Mindestmaß an (umwelt)politischem Interesse zeigen sollte.
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