Kritischer Konsum? Das Beispiel Sternburg

Wer kennt es nicht – Du kommst auf eine charmant studentisch, politisch eher links anmutende WG-Feier und im Flur ist das Erste was dich anlacht… richtig, ein Turm Sternikisten. Du denkst jetzt sicher: Spricht doch nichts dagegen, oder?!

Die Exportvariante der Leipziger Bier-Kultmarke erfreut sich in den neuen Bundesländern mit fast 10 % Marktanteil nach wie vor großer Beliebtheit. Sternburg wird dabei mit Aussagen wie “nicht nur ein Bier, sondern ein Lebensstil” sowie “ehrliches Bier für Leute, die auf jeden Cent achten müssen” assoziiert und trägt “das Image vom ehrlichen Feierabend für hart arbeitende Männer” [1]. 

Günstig, punkig und in der alternativen Großstadt Leipzig gebraut, was soll daran schon verkehrt sein, heißt es doch auch gemeinhin

“Sternburg Bier, das rat ich dir”?

Nach kurzer Onlinerecherche zeigt sich jedoch, dass Sternburg keine Privatbrauerei ist, sondern seit 2006 zur Radeberger Brauereigruppe gehört. Diese wiederum gehört zum internationalen Großkonzern Dr. Oetker, der unter anderem schon wegen “Qualfleisch” auf Pizzen, politischer Einflussnahme gegen die von vielen geforderte Lebensmittelampel und Investitionen in Rüstungsunternehmen in der Kritik stand. Dem Unternehmen gehören weltweit über 400 Firmen an. Dabei wirbt Sternburg doch selbst mit dem Slogan

“Friede den Kästen, Krieg den Palästen”… 

Ist das gute alte Sterni am Ende doch nur die Marionette der kapitalistischen Marketing-Maschinerie für eine bestimmte, sonst nicht zu erreichende Klientel? 

Richtet sich doch aber nicht gerade links-grüne Kritik gegen Großkonzerne? Warum dann diese unterstützen und Sterni im Billigdiscounter Netto kaufen? Wäre, wenn’s günstig sein soll, nicht der Kauf von bspw. Bieren der familiengeführten deutschen Brauereigruppe Oettinger naheliegender? Hier widersprechen sich, leider oft unbewusst, Haltung und Handeln.

Dabei gibt es eine Vielzahl von Bieren sächsischer Privatbrauereien wie der Glückauf-Brauerei in Gerstdorf (Lößnitz Pils, Gerstdorf Ale, Mole Bier, …), Frenzel Bräu, Meißner Schwerter, Böhmisch Brauhaus, Hartmannsdorfer (Lohrmanns, Kolle Mate, …), Mauritius, Fiedler, Specht, Vier Vogel Pils, Kevin u.v.a.! Direkt in Dresden brauen Schwingenheuer und Trachennowe. Alternativen gibt’s also zur Genüge, die sich noch dazu vom Einheitspilsgeschmack abheben. 

Wie kompliziert die Bierlandschaft ist, zeigt ein Blick auf Markteinteile und Marken der Top 10 der Brauereigruppen weltweitAnheuser-Busch (AB) InBev (Becks, Budweiser, Corona, Hasseröder, …) hatte nach der Fusion mit SAB Miller im Jahr 2019 29,8 % Weltmarktanteil, es folgt auf Platz 2 Heineken (Desperados, Krušovice, Żywiec, …) mit 12,3 % Marktanteil und auf Platz 4 kommt nach China Resources Breweries Ltd. schon Carlsberg (Astra, Holsten, Tuborg, Duckstein, Lübzer, Elephant, ...) mit 5,9 %. 

Bildquelle https://twitter.com/martintillich/status/661171750663798784 abgerufen am 24.02.2020

Ein Blick in die Infografik oben zeigt, wie komplex die Biermarken- und Bierkonzernlandschaft verwoben ist. Im Zweifel muss jedes Bier einzeln recherchiert werden. Sind Erdinger und Augustiner-Bräu noch mehrheitlich privat-/familiengeführt, gehören Paulaner, Franziskaner und Chiemseer zu großen Brauereigruppen. Immer eine gute Wahl ist der Kauf von Bieren des nach Gemeinwohlkriterien wirtschaftenden Sozialunternehmens Quartiermeister. 10 Cent pro Liter gehen an soziale Projekte, die ihr selbst mitbestimmen könnt. Das Bier für Dresden kommt aus dem nahegelegenen Wittichenau.

Es ist wie so vieles in unserem heutigen Leben: Auf den zweiten Blick ist’s dann doch nicht so einfach wie’s auf den ersten scheint. Sternburg ist nicht per se böse und nur ein Beispiel von vielen, doch zeigt es vorzüglich, wie krass Marketing uns beeinflussen und austricksen kann. Vielleicht geht ja jetzt der Griff beim nächsten Kauf im Getränkemarkt um die Ecke doch am Sterni vorbei und hin zu den oben genannten Alternativen.

Und auch wenn der Preis etwas höher ist, geht dein Geld immerhin nicht in die Strukturen und den Umsatz von Konzernmultis. Und qualitativ hochwertiges, in kleineren Chargen gebrautes Bier mit mehr Hopfen(-sorten) und hochwertigem Malz hat eben seinen Preis, was auch mit einer gewissen Wertschätzung einhergeht. Ansonsten hilft hier auch das gute alte Sprichwort “Weniger ist mehr” zuverlässig weiter! Mit diesen Worten, zum Wohl

Tipp zum Schluss: Wenn du gern mehr über die absurde Welt der Bierkonzerne und die dem Ganzen mit geschmacklicher Vielfalt entgegentretende Craft-Beer-Bewegung erfahren möchtest, empfiehlt sich’s die NDR-Doku Unser Bier – Hopfen und Malz verloren? zu schauen. //fw

[1] https://taz.de/Billigbiere-im-Vergleich/!5550973/