“Schönheit wird die Welt retten!” schrieb Dostojewski. Betrachten wir die heutigen Zustände von Klima und Umwelt, so wird klar: Um die Welt zu retten muss die Schönheit umwelt- und menschenfreundlich sein.
Mit diesem Thema hat sich eine der diesjährigen Umweltringvorlesungen auseinandergesetzt. Als Teil des studium generale an der TU Dresden sensibilisiert die Vorlesungsreihe seit Jahren Studierende zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Die URV ist ein Format von Studierenden für Studierende. So werden die Vorlesungsblöcke, deren Inhalte jedes Semester variieren, maßgeblich von Mitgliedern der TU-Umweltinitiative organisiert und initiiert. Die einzelnen Präsentationen werden von ausgewählten Fachreferierenden gehalten. In den letzten Jahren waren unter anderem Stadtentwicklung, Wirtschaftsethik oder Ernährung Gegenstand der URV. Zuvor haben sich allerdings noch wenige Umweltringvorlesungen mit alternativen Materialen beschäftigt. Das änderte sich dieses Sommersemester: Konzipiert wurde die URV “Schönheit wird die Welt retten!” als künstlerische und technische Auseinandersetzung mit Werkstoffen, deren Einsatzmöglichkeiten und Prozesse.
Diese Umweltringvorlesungen werden seit fast 20 Jahren gemacht und jedes Semester wird bei uns in der Tuuwi intern gefragt, wer denn tendenziell Bock hätte so etwas zu gestalten. Stas, ein Architekturstudent, der auch bei uns aktiv ist, hatte die Idee, etwas mit neuartigen Werkstoffen zu machen und da habe ich mich spontan angeschlossen. Ich habe immer schon gerne Dinge organisiert, ob Abiball in der Schule oder später so ein Planspiel von den Vereinten Nationen. Da war es für mich naheliegend, auch mal bei der Durchführung einer URV Verantwortung zu übernehmen.
Es war damals im März und April alles ziemlich lange unklar. Als bekannt wurde, dass das Semester mit verspäteten Start dennoch durchgeführt wird, hat uns in die Karten gespielt, dass es in den letzten Monaten unabhängig von der Corona-Krise Bemühungen gab, mit dem Digital-Fellowship-Programm die gesamten zukünftigen Umweltringvorlesungen die in Präsenz stattfinden, zusätzlich aufzuzeichnen und online zur Verfügung zu stellen. Daraufhin haben sich einige von unseren technikversierten Tuuwis die lohnenswerte Mühe gemacht, einen Leitfaden für unsere Referenten zu erstellen, in denen ihnen empfohlen wurde, wie sie ihren Vortrag auf einfache Weise digitalisieren können, um unsere geplante Vorlesungsreihe dennoch zu ermöglichen. Dabei war uns auch wichtig, dass man die Aufzeichnungen jederzeit abrufen und nachverfolgen kann und dies nicht auf einen einmaligen Livestream beschränkt ist.
Ein paar sind schon abgesprungen, was vermutlich auch damit zusammenhing, dass vielen unklar war, was es urheberrechtlich bei digitaler Veröffentlichung zu beachten gibt. Beispielsweise bei Bildern, die man in einer Power Point zeigt – normalerweise wäre das bei einmaliger Präsentation im Hörsaal kein Problem, aber bei dauerhafter Verfügbarkeit im Internet sieht das schon anders aus. Aber generell meinten die meisten ‚Kein Problem, kriegen wir hin.‘. Die einen sind sehr selbstständig an die Sache herangegangen, haben ihr Vorlesung über einen ungelisteten Youtube-Stream zur Verfügung gestellt, wie beispielsweise die Professur für Technisches Design, mit denen wir auch zusammenarbeiteten. Andere mussten mehr an die Hand genommen werden, da hat aber der Leitfaden seinen Soll erfüllt.
Stas hat durch seinen Background als Architekt sehr schnell großes Interesse an alternativen Werkstoffen gefunden. Das wurde sicherlich auch dadurch bekräftigt, dass man sich im Studium meist mit etablierten Verfahren und Methoden und weniger mit innovativen und dadurch natürlich auch unerprobteren auseinandersetzt. Mich hat an der Thematik wiederum gereizt, dass sie so gar nichts mit meinen persönlichen Studieninhalten zu tun hat. Normalerweise höre ich Vorlesungen über Statistik und Makroökonomie, da reizte mich die Vorstellung schon sehr, zur Abwechslung einem Architektur- oder HfBK-Prof beim Philosophieren über die Verknüpfung von Technik, Kunst und Nachhaltigkeit zu lauschen. Gerade auch die Seite der Ästhektik – die auch bei technischen Produkten eine große Rolle spielt – war ein spannendes thematisches Feld. Wie das dann alles noch zusätzlich umweltfreundlich gestalten und auszulegen ist…eine ungeheuer schwierige Aufgabe, die aber immer relevanter wird.
Ich denke die Vereinbarkeit ist mit einer gehörigen Portion Kompromissbereitschaft möglich, auch wenn sie sehr teuer sein mag. Es bedarf aufwendiger Prozesse, um all diese Aspekte in eine Entwicklung mit einzubeziehen. Und selbst dann ist es schwierig, die eierlegende Wollmilchsau zu finden. Am Ende müssen auch sinnvolle Kompromisse geschlossen werden. Kompromiss ist mit Abstrichen verbunden, Abstriche wurden bisher vor allem zu Gunsten von ökonomischen Aspekten gemacht. Darunter leiden Mensch und Umwelt – und langfristig auch die Wirtschaft. Der Spieß muss also umgedreht werden: Ökonomische Abstriche in Form von hohen Investitionen, um ein hochwertiges Produkt zu schaffen, sowohl in technischen, ästhetischen als auch nachhaltigen Belangen, das zahlt sich langfristig aus. Dass das möglich ist, meine ich in der Vorlesungsreihe gelernt zu haben.
Bei einer Carbon-Beton-Bewehrung kann sehr viel Beton gegenüber einer vergleichbaren Stahl-Beton-Bewehrung eingespart werden, da bei letzterem der Beton nicht nur für die Druckfestigkeit essentiell ist, sondern auch den Stahl vor Korrosion schützt. Daher muss die Betonschicht um den Stahl eine Mindestdicke aufweisen. Das ist bei der Carbon-Alternative jedoch nicht nötig, Carbon rostet nicht. Dadurch wird nicht nur Kohlenstoffdioxid bei der Betonherstellung eingespart, sondern natürlich auch beim Transport und beim Bau. In diesem Fall ergibt sich aus der Verwendung eines alternativen Werkstoffes nicht nur ein ökologischer Fortschritt, sondern auch direkte monetäre Kostensenkungen – momentan kompensieren sich die Materialeinsparung und der Preis der Carbonherstellung, welche derzeitig noch teurer als die von Stahl ist.
Da kann ich mich schwer entscheiden, da die Abwechslung gerade das Besondere war. Auf der einen Seite natürlich die neuen Wege in Handwerk und Technik, die Verwendung von innovativen Alternativen wie dem Carbon-Beton – aber auch organische Materialien wie Pilze. Für unsere erste Vorlesung waren Studenten von der TU Braunschweig zu Gast, die ihre Initiative „MushRoom“ vorgestellt haben. Sie entwickeln als Hochschulgruppe Konzepte zur Verwendung von Pilzen als Styropor-Ersatz, also insbesondere für Verpackungen. Auf der anderen Seite waren natürlich auch die künstlerischen Aspekte super spannend. Eine Vorlesung, in der es diese Woche um die Züchtung von Pilzmyzel und biochemische Prozesse geht und nächste Woche um die Definition von Schönheit – wann hat man das schon mal?
Ich habe weniger ein Gefühl der Macht als mehr Druck durch Verantwortung wahrgenommen. Ich bin ja selbst Studi und kenne die ganzen Situationen und Probleme, die mitunter auftreten können. Wenn dann so Fragen kamen wie ‚Wie läuft das jetzt mit Prüfungsamt? Wo muss ich mich anmelden?‘ wusste man selbst, wie doof das alles oft läuft und man keine Ahnung hat an wen man sich wenden soll. Da hatte ich totales Verständnis, selbst wenn schon zum dritten oder vierten Mal nachgefragt wurde, und war immer bemüht, dass ja keine Missverständnisse oder Frustration entstehen. Es hatte wirklich viel mehr was von Verantwortung oder Demut als Macht.
Ich war positiv überrascht darüber, dass sich so viele jungen Menschen in Bereichen engagieren, von denen ich davor noch nichts gehört habe. Gerade auch von dem MushRoom-Projekt war ich wirklich nachhaltig beeindruckt.
Herzlichen Dank für deine Zeit!