Experiment: “Eine Woche ohne Abfall” – Tag 3: Laborabfälle (mit Geschäftsidee)

Heute kommt das angekündigte Special zu Laborabfällen. Ich hoffe, dass das auch für die Nicht-Biologen (bzw. Mediziner, oder sonstige Menschen, die damit im Alltag zu tun haben) interessant ist und werde mich bemühen, alle Gedanken verständlich zu erläutern.

ca. 450
Heute von mir eingesparte Impfösen, Pro Packung 50 Stück, macht insgesamt knapp 450.

In allen Laboren, in denen ich bis jetzt gearbeitet habe, sind Einwegprodukte an der Tagesordnung gewesen. Gute Forschung ist wichtig – und gute Forschung hängt unter anderem damit zusammen, dass die vorhandenen Datenmengen ausreichend groß sind. Viele der Biologen, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, sind sehr begeistert und überzeugt von ihrer Arbeit und verbringen sehr viel Zeit im Labor, aber auch beim Förderanträge schreiben und Reisen zu Tagungen und ähnlichen Veranstaltungen. Außerdem ist es so, dass Stellen oft nur befristet sind und die Möglichkeit, weiter in diesem Beruf arbeiten zu können stark damit zusammen hängt, wie viele Publikationen jemensch veröffentlicht. Entsprechend existiert der Wunsch nach zeitsparenden Verfahren zur Datenerhebung. Ein nicht geringer Teil der Arbeit, die im Labor anfällt, hat (auch in der aktuellen Situation mit vielen Einwegprodukten) nicht direkt etwas mit den Proben und wissenschaftlichen Fragestellungen zu tun, sondern ist “schnödes” Drumherum: Dafür sorgen, dass ausreichend keimfreies Material zur Verfügung steht, kontaminierte Geräte und Einwegprodukte ungefährlich machen (und auch so Dinge wie Pflege von  Versuchs-Lebewesen, wobei das bzgl. Müll in meinen Augen keine so hohe Relevanz hat).

Entsprechend ist es durchaus verständlich, dass Einwegprodukte, vor allem, wenn sie steril geliefert werden, gern gesehen sind, obwohl sie durchaus oft etwas teurer sind als die Verwendung von Mehrwegprodukten.

Drei Metallimpfösen

Konkretes Beispiel: meine heutige Tätigkeit im Labor: ich habe Bakterien auf Agar Platten ausgestrichen, und zwar mit sogenannten Impfösen. Die müssen steril sein, da ich ja nur mein vorhandenes Isolat ausbringen will. Links sieht man die Menge an Impfösen, die ich hätte verwenden können. Die können steril gekauft werden. Eine Alternative sind Metall-Impfösen. Die sind nur steril, wenn sie im Brenner abgeflammt wurden – dazu werden sie so lange in der Brenner gehalten, bis sie rot glühen, was immer so ca. 4-5s Sekunden dauert. Danach sind sie allerdings noch ziemlich heiß, was sich nicht so gut macht, wenn man lebende Zellen übertragen möchte – also muss die Impföse noch auskühlen. Pro steriler Impföse würde ich sagen, werden bei der Mehrweg-Variante ca. 7 – 8s mehr gebraucht.

Auf die 450 heute von mir benötigten sterilen Impfösen, macht das eine knappe Stunde mehr Arbeit. Ein bisschen Zeit lässt sich sich sparen, wenn mehrere Metallimpfösen abwechselnd verwendet werden, weil dann immer eine Abkühlen kann, während die andere in Benutzung ist. Da der Lange Schritt aber das Abflammen ist, ist war ich damit heute trotzdem ca. eine Dreiviertelstunde länger dort. Noch besser wäre es, wenn es zum Beispiel eine Tisch-Maschine mit kleinem, langsam laufenden Förderband gäbe, die mir das “in die Flammen halten” der Impföse ersparen würde, da das Metall automatisch durch die Flamme laufen würde.

Eine Metallimpföse beim Ausglühen

Die Impfösen-Sache ist momentan für mich der einzige Punkt, wo ich individuell im Labor relevant Abfall vermeiden kann. Andere Möglichkeiten, z.B. eine schlaue Mehrfachverwendung von Einwegartikeln, wie (Zellstofftuch, mit dem zuerst ein Tischdesinfektionsmittel verwischt wurde, später noch für verschüttete Bakeriensuspension verwenden) bzw. bedachtes Arbeiten (erst gar keine Bakteriensuspension verschütten) existieren daneben aber auch. 

Der Müllberg, der trotzdem noch entsteht, ist enorm. In meinem Projekt werden auch sehr viele Petrischalen verwendet. Hier gibt es prinzipiell Alternativen aus Glas oder Edelstahl. Wenn die angewendet werden würden (was ich sehr wünschenswert fände), müsste aber im Arbeitsablauf einiges geändert werden. Die Menge an Einweg-Petrischalen, die ich heute benutzt habe werden morgen weg geschmissen, für die 113 verwendeten Petrischalen und noch etwa 3kg weiteren Müll sind dann insgesamt (bis zum Abholen des nicht mehr infektiösen Mülls durch die Müllabfuhr) vielleicht noch maximal 10-15 Minuten Arbeitszeit notwendig (Runtertragen des infektiösen Mülls zum Autoklaviergerät, Anschalten des Autoklaviergeräts + Einstellungen/Wartung, Ausräumen des Autoklaviergeräts, Transport von dort in eine Mülltonne). Bei Mehrwegmaterial würde das alles deutlich anders aussehen. Das Autoklavieren (Erhitzen der Petrischalen unter Druck um die Bakterien ab zu töten) wäre das selbe wie zuvor. Dann müsste der Agar wahrscheinlich manuell aus den Petrischalen entfernt werden. Das würde mindestens 20min dauern, dann kämen die Platten in die Spülmaschine (Ein- und Ausräumen, Einstellungen: mindestens 20min), und dann in den Heißluftsterilisator (15 Min Arbeit).

Fazit: Es dauert.

Da im Abfallfreien Labor der Zukunft vieles gereinigt werden muss, nehmen die Reinigungsräume viel mehr Platz ein.

Größte Abfallquellen im Moment sind (zumindest in meiner Wahrnehmung, die natürlich stark damit zusammen hängt, was ich mache): Petrischalen, Impfösen, Einweghandschuhe, Pipettenspitzen, Zellstofftücher, Platikgefäße mit Deckel (“Eppis” und “Falcon Tubes”). Natürlich oft in Kontakt mit verschiedenen Chemikalien und Lebewesen – in meinem Traum Labor müsste sich also auch genau überlegt werden, was wie unschädlich gemacht wird, und wie sich alles gut reinigen lässt.

Wäre das nicht mal eine Geschäftsidee? (Wobei es z.T. so ist, dass nur für ein paar Monate ganz viele Petrischalen gebraucht werden, und dann wieder nicht – vielleicht ein Mehrweg-Labormaterial-Verleih?)

Politisch muss da natürlich auch was gehen, denn in der aktuellen Situation hätte niemand die Zeit, diese ganze Reinigungsarbeit zu machen. Im Minimalfall müssten mehr Technische Assistent*innen o.Ä. eingestellt werden, im optimalen Fall ist der Druck, ständig publizieren zu müssen aus dem gesamten System raus, und es ist in Ordnung, wenn die Daten in langsamerem Tempo eintrudeln. Das wäre wohl nicht nur für die Müllvermeidung gut…

Ich fänd es spannend, zu erfahren, wo in eurem Arbeits- oder Studien-Alltag (viel) Müll anfällt, und wo und wie ihr euch eine Zukunft vorstellen könntet, wo dort kein Abfall mehr produziert wird. Was sind dort die Probleme, über die sich Gedanken gemacht werden müssten? Schreibt gern einen kurzen oder längeren Text dazu, und schickt ihn an info@tuuwi.de, wir veröffentlichen ihn gern hier im Blog. (Oder nutzt die Kommentarfunktion. Oder facebook, twitter, Brief – wobei, Papierverbrauch…)

Lesetipp: Theresa, die die Ressourceneffizienz-Ringvorlesung organisiert hat ihre Erfahrungen bei einer Betonrecyclinganlage (Nestler) aufgeschrieben. Vielleicht erinnert ihr euch: der Größte Masseanteil an Müll kommt vom Bau und Bergbau.