“Was ist eure utopische Stadt?” Mit dieser Frage begann die erste Vorlesung der Umweltringvorlesung “Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt”. Die Ideen der Studierenden waren zahlreich: eine autofreie Stadt, grüne Dächer, mehr urbane Gärten, öffentliche Trinkwasserbrunnen, mehr Gemeinschaft in der Nachbarschaft und eine behindertengerechte Stadt sind nur einige der Zukunftsträume. Angelehnt daran startete Dr. Matthias Naumann von der Professur Didaktik der Geographie an der TU Dresden und Mitherausgeber des Buches “Kritische Stadtgeographie” seinen Vortrag über kritische Stadtforschung. Was ist Stadtforschung überhaupt? Wozu brauchen wir sie? Und ist Wissenschaft nicht immer kritisch?
Dr. Naumann zitiert hierbei Judith Butler: Bei der Kritik geht es „nicht darum, gegen diese oder jene staatliche
Forderung Einspruch zu erheben, sondern darum, nach der Ordnung zu fragen, in der eine solche Forderung lesbar und möglich wird“ (Deutsche Zeitschrift für Philosophie 50 (2), S. 249-265.). Die Kritische Stadtforschung ist also normativ. Sie will Forderungen stellen und Zustände nicht als gegeben hinnehmen, sie will alternative Konzepte von Stadt entwickeln und das Recht auf Stadt auch marginalisierter Gruppen einfordern, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Stadt.
Die Debatte um die kritische Stadtforschung scheint endlos und die Themen sind vielfältig: Es geht um postkoloniale oder feministische Ansätze. Es geht um Wohnen und Mobilität, um Infrastruktur, Sicherheit und Gentrifizierung. Als aktuelles Beispiel geht Dr. Naumann auf Smart Cities ein. “Heute ist doch alles smart – die Smart Watch, das Smarte Haus, die Smarte Stadtverwaltung”, beginnt er. Eigentlich ist das Ziel des Stadtentwicklungsprogramms gut: Über das Werkzeug Digitalisierung sollen eine hohe Lebensqualität, eine effiziente und sichere Versorgung, sowie eine niedrigschwellige, transparente Verwaltung geschaffen werden. Aber die Smart City hat auch ihre Schattenseiten. So erfolgt eine digital gestützte Überwachung und Kontrolle der Stadt. Privatisierung und Unternehmensorientierung prägen die Entwicklung. Ethisch gesehen ist das Modell also diskutabel. Unabhängig davon gibt es auch in Dresden Bestrebungen zur Entwicklung der Ladeshauptstadt zur Smart City.
Schließlich beendet Dr. Naumann seinen Vortrag mit einer Frage ans Auditorium: Welche positiven Beispiele einer Smart City gibt es? Eine Studentin bringt transparente Verwaltungsvorgänge (z.B. Livestreams von Stadtratssitzungen oder öffentliche Dokumente) an. Ein anderer Student verweist auf Elektromobilität im ÖPNV. Die Smart City ist also nicht per se schlecht, sollte aber auch nicht unhinterfragt in den höchsten Tönen gelobt werden.
Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt
Jeden Montag
16:40 bis 18:10
HSZ 403
Nächstes Thema: Von der Polis zur Metropolis und regionalen Agglomerationsräumen. Mit Prof. Angela Mensing-de Jong (Professur für Städtebau, TU Dresden)
Text: Luisa Zenker und Theresa Zakrzewski