Geschrieben von Natalia Fomina
Seit den 1980ern wächst die Anzahl an transnationalen gesellschaftlichen Organisationen. Durch Internet und soziale Medien sind wir vernetzter, können weltweite Kooperationen eingehen und uns breiter informieren. Obwohl einige große und multinationale NGOs durch ihre umfassenden Kampagnen und ihr Mitwirken in der Klimapolitik gesellschaftlich anerkannt sind beziehungsweise von der Mehrheit der Bevölkerung positiv assoziiert werden, unterliegen sie komplexen Zusammenhängen, dabei auftretende Probleme sind nicht von der Hand zu weisen. Richten wir also in den folgenden Zeilen unsere Aufmerksamkeit auf die Climate Policy von Greenpeace, WWF und Climate Analytics bis hin zu grünen Stiftungen.
Der folgende Artikel ist eine gekürzte und ergänzte Zusammenfassung der Publikation von Tanja Brühl und Marika Gereke, die einen kritischen Blick auf die internationale Klima-NGO-Gemeinschaft lenkt und die Augen auf die heterogene internationale NGO-Umweltgemeinschaft öffnet.
NGOs sind definitionsgemäß „non-profit, non-governmental organisations“, also – wie der Name vermuten lässt – Organisationen, welche unabhängig von Einfluss und Finanzierung staatlicher Akteur*innen existieren. Sie haben ihren Ursprung im zivilgesellschaftlichen oder privaten Sektor und agieren als Teil eines Netzwerks, welches mindestens zwei Staatsgrenzen überschreitet. Der Einfluss auf die Politik wird entweder direkt, beispielsweise mit einer einheitlichen Stellung und Rede bei Klimakonferenzen oder öffentlichen Debatten ausgeübt oder indirekt, durch Lobbyarbeit. Aber stimmt diese Definition wirklich mit der Realität überein?
Ein Ausflug in die Geschichte der globalen Umweltpolitik
Heute wird die internationale Umweltpolitik als „hybrider Mulitlaterismus“ verstanden. Das heißt, dass es viele multi–und bilaterale Abkommen, dazu öffentlich-private Partnerschaften und einige überlappende Regimes gibt, die die Klimakrise „von oben“ anzugehen versuchen.
Vorstellung und Realität
Besonders NGOs und zivilgesellschaftliche Bündnisse, wie Fridays for future haben als treibende Kraft die Umweltthematiken auf die Agenden internationaler Politiker*innen gebracht und sind wichtige Akteur*innen, besonders im Bereich der Recherche und des Monitorings. Doch sind NGOs wirklich so unabhängig von Staat und Markt, sind sie die Utopieschaffenden für internationale Gemeinschaften? Sind sie die moralischen Instanzen und solidarischen Vertreter*innen der Zivilbevölkerung? Tragen NGOs automatisch zu einer demokratischen und legitimen Umweltpolitik bei? Es ist nicht möglich NGOs als geschlossene und homogene Einheiten zu verstehen. Sie sind keine statischen Blackboxes, sondern Interessensgegensätzen und Repräsentationsassymmetrien unterlegen.
Es besteht eine Kluft zwischen den Erwartungen an NGOs und der Realität. In idealistischen Vorstellungen könnten sie ein Sprachrohr zwischen Personen sein, die am stärksten und direktesten von den Umweltproblemen betroffen sind und „denen da oben“, die über Konjunkturpakete, Abwrack-Prämien, Emissionshandel und Naturschutz deliberieren.
Stattdessen dominieren in der internationalen Klimapolitik NGOs, die partikulare Interessen vertreten, die Wettbewerbsdynamiken unterworfen sind und einen eurozentrischen Standard von Organisationskultur und Sprache besitzen. Greenpeace ist wenig demokratisch aufgebaut und ist hierarchisch organisiert, die Themen sind abhängig von den Vorgaben des internationalen Büros in Amsterdam und Mitglieder haben wenig bis kein Mitspracherecht. Zur Strategie des WWF gehören vor allem Zertifizierungen und Kooperationen mit Unternehmen, wie der Aufbau einer Regenwald-Stiftung im Fall von Krombacher [1]. Postkoloniale Stimmen betonen die Dominanz westlicher NGOs, die den Diskurs in und um die NGO-„Gemeinschaft“ prägen. Wissenschaftliche Expertise, das Sprechen der englischen Sprache, sowie eine professionelle, bürokratische und hierarchische Organisation stehen im Vordergrund bei der Auswahl, welche NGOs bei der nächsten Klimakonferenz anwesend sind und „angehört“ werden. Dabei versteht es sich, dass es oft Unterschiede zwischen einem „Anhören“ und einem „Zuhören“ gibt. Dazu sei kurz gesagt: NGOs haben kein aktives Recht, an zwischenstaatlichen und internationalen Verhandlungen teilzunehmen, sie dürfen lediglich Statements und Einschätzungen in Form von Anhörungen abliefern.
Daneben exisitiert ein Pluriversum an Ansätzen, Grassroot-Bewegungen, losen Netzwerken, kleineren NGOs ohne teure Umweltexpertise, aber mit hohemErfahrungswissen und weitere Organisationen, die gesellschaftliche Randgruppen, Minderheiten und Perspektiven von jungen Menschen repräsentieren. Jedoch werden Sie von den „Big Playern“ der Non-State-Actors weitesgehend ignoriert. Zeichnen sich auch hier koloniale Kontinuitäten und asymmetrische Süd-Nord-Beziehungen ab?
Climate Action Network und Climate Justice Now Network
Die Gemeinschaft der nicht-staatlichen klimapolitischen Akteur*innen teilt sich in mehr oder weniger zwei großer Lager. Auf der einen Seite setzt das 1989 gegründete Climate Action Network (CAN) mit Haupsitz in Bonn auf technische Lösungen, eine hohe Priorisierung finanzieller Mittel, marktbasierte Instrumente und verzichtet auf die Einbettung in einen größeren gesellschaftlichen Kontext. Andere Stimmen aus dem gleichen Lager, welche auf eine Regulierung der Klimakrise durch Kooperation sehen, setzten auf eine stärkere Verrechtlichung und stärkere Regulierung von Unternehmen. Unter dieses Netzwerk fallen 150 Organisationen aus Europa und den USA, zum Beispiel der WWF und Greenpeace.
Auf der anderen Seite sieht das Climate-Justice-Now-Netzwerk (CJN) den Klimawandel vor allem durch Macht- und Herrschaftsmechanismen vorangetrieben. Es kritisiert die kapitalistischen Verteilungs-, Produktions-, und Verbrauchsformen, die mit einer globalen Ungerechtigkeit einhergehen. Ihr Lösungsansatz: Systemwandel durch Konfrontation. Sie arbeiten intersektional und eng mit globalisierungskritischen Bewerbungen und entwicklungspolitischen Themenfeldern zusammen und fordern neben Umwelt– auch soziale und Geschlechtergerechtigkeit [2]. Unter dieses Netzwerk fallen die lateinamerikanische Bewegung La Via Campensina, das Indigenous–Environmental–Network, die Canadian–Youth–Climate–Coalition, ATTAC oder der Verein Gendercc- Women for Climate Justice.
Es stellt sich nun die Frage: Ist es so relevant, sich über die Aufteilung dieser Lager genauer Gedanken zu machen anstatt konkrete Lösungsstratgien von Problemen globalen Ausmaßes zu diskutieren? Sollten wir gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft kämpfen oder scheint ein gemeinsamer Kampf schier unmöglich zu sein? Eine abschließende Antwort ist schwer zu fällen und wie so oft ist eine ausführliche Diskussion angemessen – momentan natürlich überwiegend im digitalen Raum! Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Eine stetige kritische Selbstreflexion eigener Ansätze und Denkweisen.