Die Vermeidung – ein Kommentar

Schritte zum Vermeidbaren

Ein Kommentar von Hanna Schmid

Vom 20.11. bis 28.11. findet die diesjährige Europäische Woche der Abfallvermeidung statt. Es steht dieses Jahr unter dem Motto “Unsichtbarer Müll”. Einige Tuuwis haben sich mit dem Thema Abfall weitergehend beschäftigt und teilen ihre Gedanken in unserem Blog. Hanna hat einige Fragen an ihre Leser, Ergebnis ist dieses Kommentar. In diesem Artikel von Anja könnt ihr euch über Pyroplastik informieren.

Es ist morgens. Du bist gerade aufgewacht und bereitest dich auf den Tag vor. Waschen, Anziehen, Wachwerden, Frühstücken. Du holst das Kaffeepulver aus dem Regal und machst dir einen Kaffee. Es war der letzte Rest in der Verpackung. Mülleimer auf, Packung rein, Deckel zu. Weg. Du bereitest dein Müsli vor: Apfel, Haferflocken, Milch und ein paar Nüsse. Das Apfelgehäuse schmeißt du weg. Mit einem Blick auf die Uhr fällt dir ein, du bist spät dran und solltest dich beeilen, um rechtzeitig auf der Arbeit zu sein. Dein Müsli lässt du erstmal stehen. Du gehst Zähne putzen und packst die restlichen Sachen für den Tag ein. Das restliche Müsli wirfst du weg, war eh nicht mehr so viel und du bist satt. Schuhe und Jacke an und dann geht es los.

Auf der Arbeit. Arbeiten am Computer, Telefonate, Drucken, Scannen und dann Mittagspause. In der Kantine gibt es heute Risotto, aber du nimmst dir nur eine Kleinigkeit, weil du dich heute Abend mit Freunden zum Essen verabredest hast. Und weiter geht es mit Arbeiten.

Feierabend. Ihr kocht gemeinsam und habt ein bezauberndes Mal zubereitet. Es ist köstlich. Nur noch kurz Abspülen und dann heim ins Bett. Eklig wie die Essensreste immer im Ausgusssieb hängen, ein, zwei Erbsen. Fertig. Nun ab ins Bett, noch kurz Zähneputzen und dann Schlafen.

Eine Frage zum offensichtlichen Konsum

Manches nehmen wir bewusst wahr, manches eher unbewusst und wieder anderes entgeht uns aus unserem Sinn. So ähnlich wie oben beschrieben würden wir wahrscheinlich einen Tag beschreiben. Vielleicht gibt es statt Kaffee auch Tee, oder statt Müsli wird Brot gegessen oder gar nichts. Und vielleicht arbeitest du auch nicht, gehst zur Schule oder machst ein Studium oder deine Arbeit ist draußen und nicht in einem Büro. Aber unabhängig davon haben wir alle unsere Routinen und kurz um, wir konsumieren. Auch das ist uns bekannt und offensichtlich. Aber wo kommen die Sachen her und vor allem wie?
Was fällt dir dazu ein? Nehmen wir mal den Kaffee. Wo kommt Kaffee her und wie kommt er zu dir nach Hause? Die Kaffeebohnen werden in Ländern Südamerikas oder Afrikas abgebaut und dann nach Deutschland transportiert, hier geröstet und dann in den Supermärkten verkauft. Okay, das ist auch noch klar, aber dann? Jetzt zum Wie. Der Transport. Was fällt hier alles drunter? Transportmittel wie LKWs und Schiffe, aber auch Transportverpackungen in denen die Waren transportiert werden. Diese sollten möglichst robust gegen äußere Einflüsse sein. Darunter fallen mechanische Kräfte, Feuchte, Hitze, Bakterien, usw.. Auch das ist noch irgendwie sichtbar. Man könnte jetzt auch noch Frage wo diese Sachen wiederum herkommen? Also z.B. die LKWs, die Transportverpackungen und die Verpackung um das Kaffeepulver selbst. (Gleiches kannst du mit der Zahnpaste oder der Jacke machen.) Auch diese Dinge müssen erstmal produziert werden.

Was fällt dir alles an Begriffen ein, wenn du Produktion hörst?

Der weniger offensichtliche Konsum

Okay, nun noch eine Frage. War bei deiner Antwort Abfall oder Produktionsreste dabei?
Falls nicht, warum denkst du, ist das so? Es ist auch gar nicht so verwunderlich, wenn man sich mal überlegt, dass es abgesehen von unseren eigenen vier Wänden kaum öffentlich auftritt. Selbst daheim werfen wir unsere Abfälle in blickdichte und geschlossene Behältnisse, die meistens auch noch in Schränken oder unter Arbeitsplatten versteckt sind.

Nicht viel anders ist es mit Abfällen, die nicht im Haushalt anfallen. Die Mülltonnen bei Supermärkten oder von anderen kleinen Betrieben stehen oft im Hinterhof in einer Ecke versteckt. Das hat bei manchen Abfällen auch seine Berechtigung, vor allem, wenn gesundheitliche Risiken damit verbunden sind. Aber es ist nicht nur so, dass wir unsere Abfälle nicht sehen, es ist auch so, dass sie kaum erwähnt werden, wenn bspw. Lieferketten beschrieben werden. Oder irgendwo sonst, auf der Arbeit, in der Schule, bei Freunden.

Ähnlich wie bei dem CO2 – und dem Wasserfußabdruck hinterlassen wir durch unseren Konsum Abfälle, die nicht direkt ersichtlich sind. Im Jahr 2018 war die Abfallmenge aus der produzierenden und verarbeitenden Industrie, sowie aus dem Gewerbe, die zweit größte Abfallmenge mit 55,1 Mio. t in Deutschland [1].

Werte und Einstellungen

Und wieso ist Abfall nicht so präsent in unseren Köpfen?

Zuerst sollten wir die Frage klären, was ist Abfall? Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), welches den Umgang und die Bewirtschaftung von Abfall regelt, ist Abfall definiert als ein „Stoff oder Gegenstand, welcher ein Mensch entledigt, entledigen will oder entledigen muss“ [2]. Aber was möchte ich denn entledigen? Meistens Dinge, die für mich nicht mehr wertvoll sind. Und wer oder was bestimmt was wertvoll ist?

Hier kommen kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Aspekte ins Spiel [3, 4, 5].

In manchen Ländern haben kaputte Gegenstände tendenziell keinen Wert mehr und werden komplett durch einen neuen Gegenstand mit der gleichen Funktion ersetzt. In anderen Ländern sind kaputte Gegenstände nicht gleich wertlos, Einzelteile oder sogar der ganze Gegenstand wird mit einer neuen Funktion definiert und neu eingesetzt. (Ein weiteres Beispiel wäre der Umgang mit Lebensmitteln. Wir haben eine Mahlzeit auf dem Teller, wir essen es auf, doch bei manchen Mahlzeiten bleibt etwas über. In dem Moment, wo wir uns dazu entschieden haben, die Mahlzeit hat keine Funktion mehr als Mahlzeit, empfinden wir es leicht diese einfach weg zu werfen. Zusätzlich empfinden wir diese Reste sogar als eklig, obwohl sie kurzdavor noch von uns verzehrt wurden.)

Im Falle der zuerst genannten Länder/Gesellschaftstypen spricht Keller [3] von Gesellschaften, die einer „Dynamik und Ersetzungslogik von Waren-, Ordnungs- und Klassifizierungssystemen“ folgen und ihre Gegenstandspolitik in „nützlich und unnütz, also dem Maß der Brauchbarkeit teilen.“ Womit eine „institutionalisierte Produktion des Wertlosen“ kreiert ist [3].

Weiterhin ist es so, dass mein Verhalten gegenüber einer Sache oder einem Gegenstand unteranderem dadurch beeinflusst wird, welche Wertigkeit ich diesem beimesse und welche Beachtung ich, in diesem Falle jetzt Abfall, gebe [6].

Was hat das jetzt mit der Vermeidung von Abfälle zu tun? Zwei einflussreiche Faktoren für die Vermeidung von Abfällen ist das Design eines Produktes und der eigene Konsum. Ist mir allerdings das Thema Abfall nicht im Bewusstsein, kann ich dieses auch nur schwer berücksichtigen und z.B. auf die Vermeidung eingehen, sowohl bei der Produktidee als auch im Konsum. Dabei hat die Bundesregierung und auch die EU die Vermeidung als erste Handlungsebene zur Schonung natürlicher Ressourcen und zum Schutz von Mensch und Natur definiert [7, 8].

Quellen:

[1] UBA 2020: Umweltbundesamt, Abfallaufkommen. https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/abfallaufkommen#deutschlands-abfall, 18.08.2020, zuletzt geprüft am 24.11.2020.

[2] § 3 Absatz 1 KrWG 2020. Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist. URL https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/KrWG.pdf abgerufen am 24.11.2020.

[3] Keller, Reiner 2009: Müll- Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen. Die öffentliche Diskussion über Abfall in Deutschland und Frankreich. 2. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

[4] Kersten, Jens 2016: Inwastement-Abfall in Umwelt und Gesellschaft, S.9-25. Jens Kersten (Hg.). 1. Auflage. Transcript, Bielefeld

[5] Schüller, Vera 2017: Die konstruierte Perzeption des Übriggelassenen. Eine explorative Studie über das Potential einer Kampagne zur gesellschaftlichen Wertsteigerung von Abfall. Austrian Marketing University of Applied Sciences 

[6] Ajzen and Fishbein 1975: Belief, Attitude, Intention and Behaviour, Reading, Mass. 1975

[7] § 6 Absatz 1 KrWG 2020. Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist. URL https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/KrWG.pdf abgerufen am 24.11.2020.

 

[8] §4 Abs.1 ARRL 2008. Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. November 2008. Zuletzt geändert am 30. Mai 2018