Das Jahr ist nun erst ein paar Tage alt und es gibt schon Grund, zu feiern!
Denn seit dem 01.01.2023 haben wir an unserer Uni endlich Ökostrom!!! Und nicht nur das: Alle Hochschulen in Sachsen, Ministerien und landeseigenen Gebäude gleich noch mit dazu!
Viele Menschen haben in den letzten Jahren dafür gekämpft. Am Anfang, wie gegen Windmühlen. Man hat uns erzählt, das sei völlig unrealistisch. Und nun ist es doch passiert! Sicher ist deshalb noch nicht alles paletti. Bis zur Klimaneutralität ist es ein weiter Weg. Trotzdem ist das ein wichtiger Schritt. Und wenn man die Widerstände dagegen erlebt hat, ist das mehr, als wir vor ein paar Jahren zu träumen gewagt hatten.
Hier die offizielle Meldung des SIB.
Übrigens, wen die Details unseres ehemals „aussichtslosen“ Vorhabens interessieren, der findet im Anschluss eine ganz persönliche Geschichte hinter der Nachricht.
Wie der Ökostrom an unsere Uni kam.
Ein persönlicher Bericht
Nachdem die Ökostrom-Nachricht für ziemliches Aufsehen gesorgt hat, schreib ich einfach mal auf, was für viele von uns eigentlich dahinter steckt!
Denn das ist eine längere und schwierige Geschichte, wo es am Anfang überhaupt nicht so aussah, als könnten wir überhaupt etwas bewegen.
So richtig begonnen hat es 2018, als wir uns intensiver damit auseinandergesetzt haben, welche Hochschulen in Deutschland eigentlich Ökostrom beziehen und welche wirtschaftlichen Konstrukte dahinter stehen. Auch waren wir dann bei einem Menschen der Verwaltung, der u.a. den Umweltbericht schreibt und haben uns die ganzen Hintergründe erklären lassen. Sprich, wie der Strom an der Uni eigentlich gezählt wird, wie die Verträge gemacht werden, wie das mit der Ausschreibung funktioniert und von welchem Anbieter das die Uni, also konkret das SIB überhaupt den Strom bezieht. Schon da wurde uns klar, dass es in den Details ganz schön kompliziert wird …
Etwas später hatten wir dann ein Treffen mit der Umweltgruppe der Verwaltung. Da ging es nur nebenbei um das Ökostromthema. Aber uns war aufgefallen, dass in einem älteren Umweltbericht als Jahresziel drin stand, dass die Verwaltung ein Konzept entwickeln wollte, wie Ökostrom an der Uni eingeführt werden kann. Darauf hatten wir die Menschen angesprochen und ich erinnere mich noch an die sehr lebhafte Diskussion, die dann darin endete, dass man dieses Ziel wieder strich. Denn Ziele, die politisch nicht umsetzbar sind, braucht man erst gar nicht anfassen. Das mache angeblich einfach keinen Sinn, da Energie reinzustecken. Die Diskussion wurde damals sehr sehr knackig im Keim erstickt. Das hatte auch etwas von der Attitüde: Kümmert ihr euch mal um euren Garten und eure „Keine Werbung einwerfen“-Sticker für Briefkästen und lasst uns mit euren Utopien in Ruhe.
Und ich erinnere mich auch, dass mich das damals extrem getriggert hat, wie sehr man sich zum Beispiel damit zufrieden gibt, bspw. die Recyclingpapierquote um ein paar Prozent zu verbessern. Aber die richtig heißen Eisen wollte keiner wirklich anfassen. Mir ging damals durch den Kopf: Ohhhhkayyy, dann jetzt aber erst recht!!!
In dem Jahr (2018) hatte das Klimathema dann auch ganz allgemein extrem an Bedeutung gewonnen. Denn im Gegensatz zu heute, hatte es zuvor nur sehr wenige Menschen interessiert. Aktionen, wie Ende Gelände waren mit etwas Glück einmal im Jahr in den Nachrichten. Bis dato gab keine extremen Hitzesommer und sehr viele Menschen zweifelten noch am menschengemachten Klimawandel.
Doch im Sommer 2018 fand das Klimacamp bei Leipzig mit über 1000 Engagierten statt, bei dem viele tuuwis eine ganze Woche lang dabei waren und am Ende das Kraftwerk Lippendorf mit blockiert haben.
Und direkt einige Monate später sollte der Hambacher Forst geräumt werden. Und auch dort waren tuuwis dabei.
Nicht vergessen werden soll auch eine Ende Gelände – Aktion, bei der sogar ein Sonderzug der Deutschen Bahn eingesetzt wurde, der ab Dresden auch einige tuuwis ins Rheinland brachte.
Die Räumung des Hambacher Waldes mit bis zu 3000 PolizistInnen, welche Tag und Nacht im Einsatz waren, war in dem Frühherbst ständig in allen möglichen Nachrichten. Die Auseinandersetzungen zwischen Menschen der Klimabewegung und der Polizei waren oft grenzwertig. Der Tod eines Menschen während der Räumung heizte die Aggressionen weiter an und die Polizei machte mit ihrem martialischen Auftreten diesen ganzen Wald und die Umgebung zu einem riesengroßen Krisengebiet. Es war Anfang Oktober, es waren 32 Grad und der Klimawandel warf sozusagen seine Schatten vorraus.
(Einen Erlebnisbericht über diese Tage im Hambacher Wald findest du hier.)
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich das erste Mal vor diesem Tagebau stand, und dieser so riesig war, dass ich den Boden nicht sehen konnte. 8 km im Durchmesser und fast 500 m tief. Ein riesiges schwarzes Loch, dass alles verschlingt. Da passen 5 Frauenkirchen übereinander hinein! Wenn man das das erste Mal sieht, verändert das etwas in einem. Und man versteht plötzlich, warum unser Tun so große Auswirkungen auf die Umwelt hat.
Und politisiert bis zur Nasenspitze kamen wir im Herbst an die Uni zurück, worauf sich in dieser aufgeheizten Stimmung die AG Klima in der tuuwi gründete. Jedes Wochenende saßen wir mit bis zu 20 Menschen zusammen und bastelten an wilden Plänen, die nicht irgendwo im Rheinland, sondern ganz konkret an unserer Uni passieren sollten. Es gab auch Ideen, wie beispielsweise ein Baumhaus auf dem Campus zu errichten. Festgebissen hatten wir uns dann aber an der Idee, einen Kubus zu bauen, der mit seinem Volumen zeigen sollte, welchen Anteil unsere Bildung an der Uni ganz konkret für das weltweite Klimaproblem hat. Dabei symbolisiert das Volumen eines Würfels mit 4m Kantenlänge die Menge an CO2, die die Uni in nur 2 Minuten produziert hat. Und das jede Stunde, jeden Tag, jede Woche – für viele Jahrzehnte. Und die Installation sollte zeigen, dass wir alle Teil des Problems sind und die Kämpfe nicht nur irgendwo im 500 km entfernten Rheinland passieren.
Die ganze Organisation war einigermaßen kompliziert, da wir nicht viel Zeit hatten. Dennoch waren jede Menge Menschen dabei, bemalten Banner, sägten Holz oder besorgten dieses oder jenes Detail.
Schlussendlich ist dann alles so fertiggeworden, wie geplant. Auch wenn es zwischenzeitlich nicht immer so aussah. Sogar die Trommelmenschen von Rhythms of Resistance konnten wir gewinnen, die Aktion zu unterstützen. Beeindruckend war, wie sie wild skandierend „ … CLIMATE JUSTICE!“ durch das Hörsaalzentrum zogen. Die Akustik im HSZ ist schon eine ganz Spezielle. Später haben einige erzählt, dass selbst in der vierten Etage in den Seminarräumen niemand mehr ein Wort verstanden hat und dann alle über die Geländer herunter schauten. Es waren einfach ohrenbetäubende Rhythmen und die Menschen schauten ein wenig, als seien sie vom Blitz getroffen worden.
Vor dem Hörsaalzentrum hatten sich dann schon alle möglichen Leute eingefunden, die wir ganz kurzfristig eingeladen hatten. Menschen aus dem Landtag, aus dem Rathaus und von Umweltverbänden, wie dem BUND. Aber auch die DNN, Morgenpost, Campusrauschen und CAZ waren da, es wurden Interviews geführt und Photos geschossen.
Von der Unileitung oder der Verwaltung gab es, anders als vielleicht heute, keine Unterstützung. Im Unterschied zu heute, war der Klimawandel ein Thema von vielen. Da konnten wir maximal darauf hoffen, dass unser Vorhaben geduldet wurde.
Die ganze Aktion hat uns damals alle sehr viel Kraft gekostet, aber es war einfach ein tolles Team.
Später, und das sollte dann noch wichtig werden, war auch noch ein Mensch vom Blog “Campusrauschen” sehr an dem Thema interessiert. Er hatte echten Journalismus betrieben und dem SIB sehr lange hinterhertelefoniert. Und er bekam einige Monate nach unserer Aktion Statement, dass „das SIB beabsichtigt, ab 2023 Ökostrom zu beziehen“.
Als wir das erfuhren, freuten wir uns natürlich riesig. Dennoch war das immer noch eine hinreichend schwammige Aussage und bei den Erfahrungen mit dem SIB nicht mehr als ein „Vielleicht kommt es, vielleicht überlegen wir uns das aber auch nochmal anders“.
Schlussendlich muss man sagen, dass es am Anfang wirklich alles andere als wahrscheinlich war, dass wir mit unserem ganzen Tun irgendeinen Erfolg erzielen würden. Eher haben wir das alles getan, weil es uns wichtig war, ein Bewusstsein zu schaffen. Wir wollten einfach nicht nur rumsitzen, während die Welt so langsam den Bach runtergeht.
Und sicher wäre es vermessen zu denken, nur weil wir eine wilde Installation bauen, auf einmal Stromverträge neu gedacht werden. Denn in jedem Fall gab es auch im SIB und in der Uni Menschen, die die Ökostrom-Idee mit viel Energie unterstützt haben. Ohne die wäre das nicht möglich gewesen. Dennoch waren wir vielleicht der sprichwörtliche Funken, der das Feuer entfacht hat.
Unter’m Strich ist nun aber das Zeichen, welches dieser Wechsel zu Ökostrom setzt, unmissverständlich und den Impact, den so ein Wechsel ausmacht, der ist kaum zu unterschätzen. Grob überschlagen entspricht der Stromverbrauch aller landeseigenen Gebäude, dem Verbrauch der privaten Haushalte einer Stadt mit 80.000 EinwohnerInnen. Und diese erzeugen nun von einem Tag auf den anderen kein CO2 mehr durch ihren Stromverbrauch. Und wir sind nun ein Beispiel, dem sich hoffentlich viele weitere Unis, Kommunen und Städte anschließen.
Und das ist einfach mal ein verdammt großes Ding! Und es macht einen Unterschied!
Wir arbeiten oft an vielen kleinen, natürlich auch wichtigen Dingen. Wir verteilen „Keine Werbung“-Sticker für den eigenen Briefkasten oder pflanzen Gemüse in unserem Garten. Wie gesagt, das ist alles wichtig. Aber diese Sachen ändern an dem so massiven Klimaproblem leider fast nix.
Der Wechsel zu grünerem Strom hingegen macht einen echten Unterschied. Und ich hoffe, wir inspirieren da viele weitere Menschen – tuuwis, die vielleicht gerade mal ihr erstes Plenum besucht haben oder andere Menschen – endlich die großen schwierigen, scheinbar unmöglichen Dinge anzufassen.
Und vielleicht, wer weiß, gibts ja noch Hoffnung und die Klimakatastrophe lässt sich in wesentlichen Teilen noch verhindern. Wenn das kein Grund ist, dafür zu kämpfen!
(Weitere Photos und mehr Infos zu unsere Kubusaction findest du hier.)