Ein Gastbeitrag von Oscar Telschow
Einführung
Vor etwa anderthalb Jahren begann ich im Auslandssemester in Korea (Nein, Süd-) zu studieren. Dort fielen mir nicht nur die deutlich höheren Lebensmittelpreise auf – die deutschen Dumpingpreise werden, nach meinen bisherigen Erfahrungen, in der ersten Welt selten unterboten – ich konnte außerdem beobachten, dass viele der dortigen Studierenden ihre Mahlzeiten nicht einmal zur Hälfte aufaßen, obwohl diese zum Teil über 5 € pro Portion gekostet hatten.
Um beide Probleme – höhere Lebenshaltungskosten und das Verschwenden der Mahlzeitenreste – mit eine Klappe zu schlagen, begann ich nach einer Weile mit ein paar Freunden in der dortigen Mensa zu “bändern”. Damals kannte ich den Begriff selbst noch nicht. Bändern bezeichnet das sich annehmen nicht aufgegessener Speisen in Mensen (oder anderen Großküchen). Dabei stellt man sich neben die Geschirrrückgabe und fragt die gesättigten Personen, ob man die Überbleibsel ihres Menüs an sich nehmen könne – oder man nimmt sich die Lebensmittel direkt vom Band. Im Ausland kostete es vergleichsweise wenig Überwindung, denn ich war ohnehin der merkwürdige Ausländer. Vielleicht war das ganz normal wo ich herkam. Das ist allerdings, wie wir alle wissen, nicht der Fall. Hier in Deutschland kostet es ungleich mehr Willenskraft sich neben das Fließband zu stellen. Dieser Artikel versucht das Thema von verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten, die Leser zu ermutigen und die Menschen zu vernetzen, die bändern wollen.
Beweggründe
Wie in der Einleitung schon anklang, gibt es in erster Linie zwei gute Gründe das Bändern in Betracht zu ziehen. Da ist der ideelle Grund der Abfallvermeidung und Ressourcenschonung, denn jedes Lebensmittel muss aufwändig produziert und jeder Abfall kostenpflichtig entsorgt werden. Im Gegensatz zu anderen Abfallprodukten lässt sich nicht aufgegessenes Essen auf diese Weise direkt seinem eigentlichen Verwendungszweck zurückführen. Es ist kein aufwändiges Recycling erforderlich. 😉
Besonders für Studierende mag aber auch der finanzielle Gesichtspunkt ein schwerwiegender sein, denn wer bändert, der zahlt nicht nur nichts für sein Essen – er bekommt in den Dresdener Mensen auch vergleichsweise hochwertige Kost. Das macht das Thema auch für die Studierenden interessant, die aufgrund der gestiegenen Preise den Mensen in letzter Zeit fern blieben.
Jüngere Historie und Position der Mensa
Hierzulande scheint das Bändern, im Vergleich zum recht ähnlichen Containern, noch weitgehend unbekannt zu sein. Trotzdem findet man online [1], ein Beispiel von der Uni Freiburg aus dem Jahre 2016, an der fast ein Jahr lang mit etwa 40 Leuten gebändert wurde. Doch nach schon einem Jahr griff die Mensa ein,denn für sie existieren diesbezüglich mehrere rechtliche Probleme und Grauzonen, die auch den Bänderern bewusst sein sollten[2].
Wie bereits erwähnt, hat auch die Mensa ein Interesse daran, dass weniger Abfälle erzeugt werden, da sie diese kostenpflichtig entsorgen lassen muss. Hinzu kommt, dass das nicht aufgegessene Essen mit Abstellen des Tabletts in die Geschirrrück-gabe wieder in das Eigentum der Mensen übergeht, die diversen Hygienevor-schriften unterliegen und daher schon einmal aus[2]gegebenes Essen nicht erneut ausgeben dürfen.
Varianten
In der Zeltmensa habe ich, kurz nach meiner Rückkehr, das Bändern ausprobiert und Erfahrungen gesammelt, die mich dazu brachten, die TUUWI auf dieses Thema anzusprechen.
Ich probierte drei Varianten des Bänderns, die alle Vor- und Nachteile haben:
Die „klassische“ Variante
Bei der „klassischen“ Variante stellt man sich neben das Geschirrrückgabeband, wartet bis Tabletts mit gefüllten Tellern abgestellt werden und nimmt sich diese direkt vom Tablett. So ergibt sich innerhalb von fünf bis zehn Minuten (Erfahrung aus der Zeltmensa) eine reichliche Mahlzeit.
Vorteile: hoher Ertrag; geringer Aufwand; keine Kommunikation mit Menschen erforder-lich (wenn man einen stressigen Tag hatte, kann das auch mal ganz nett sein)
Nachteile: rechtlich nicht abgesichert, evtl. bittet die Mensaleitung um Unterlassung (Erfahrung aus der Zeltmensa)
Die „offensive“ Variante
Wer kommunikativ ist und eine sicherere Variante fahren will, der kann sich ebenfalls in die Nähe der Geschirrrückgabe stellen und sein Essen etwas eher abfangen. Insbesondere wenn sich eine Schlange bildet, hat man genug Zeit nach vollen Tellern Ausschau zu halten und die Besitzer anzusprechen. Meist reagieren diese zwar überrascht, aber freundlich und entgegenkommend. Zu aufdringliches Nachfragen kann aber als Belästigung gedeutet werden, was wiederum zu Ermahnungen führen könnte (bisher nicht passiert).
Vorteile: hoher Ertrag; rechtlich sicherer
Nachteile: erfordert evtl. Überwindung; erzeugt maximale Aufmerksamkeit
Die „unauffällige“ Variante
Will man sich vorsichtig an das Thema herantasten, kann man das Bändern im kleinen Stil als Ergänzung zur normalen Mensaportion nutzen. Man geht “ganz normal” in die Mensa essen, achtet aber aus dem Augenwinkel darauf, ob an den umliegenden Tischen Menschen aufstehen, die nicht aufgegessen haben. Wenn man diese dabei direkt anspricht, hat man schnell und ohne viel Aufwand/ Aufsehen einen zweiten Gang ergattert.
Vorteile: Schnell; einfach; risikoarm
Nachteile: Spart kaum Kosten; ineffektiv
Gesundheitliche Risiken
Hat man sich für eine dieser Varianten entschieden und seine Mahlzeit auf dem Teller, ist man schon fast am Ziel. Es gibt allerdings doch ein paar gesundheitliche Vorkehrungen zu treffen.
Grundsätzlich handelt es sich bei gebändertem Essen in der Mensa immer noch um frische und unbedenkliche Lebensmittel. Allerdings sind Tablett, Teller, Nahrung und insbesondere das Besteck mit einer meist unbekannten Person in Berührung gekommen, die potentiell Krankheitserreger darauf verteilt haben könnte. Darum besteht hier Ansteckungsgefahr.
Der wohl effektivste Weg eine akute Erkrankung auszuschließen, ist das persönliche Gespräch. Spricht man ohnehin die Person an, um ihr Essen zu bekommen, kann man bei dieser Gelegenheit im Zweifelsfall nachfragen, ob sie krank ist bzw. wird sie das erfahrungsgemäß von sich aus sagen. Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme ist aber IMMER frisches und eigenes Besteck zu benutzen. Außerdem sollte man vom Verzehr absehen, wenn Servietten/ Taschentücher in die Mahlzeit gedrückt oder auf dem Teller abgelegt wurden.
Gedankenanstöße und Kritik
Wenn man versucht Abfall zu vermeiden, Ressourcen zu schonen, Umweltbelastung zu verringern und Tierleid zu boykottieren führen viele Wege nach Rom. Und ich habe häufig erlebt, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige getan habe und doch eine andere Verhaltens- oder Lebensweise effektiver, effizienter oder in anderer Weise überlegen war. Wer bändert kann dabei nicht trivial eine vegane/vegetarische Ernährungsweise aufrecht erhalten. Darüber hinaus verliert man, aus wirtschaftlicher Sicht, die Möglichkeit die Nachfrage in der Mensa zu steuern. Im Gegenteil – folgt man der These, dass den Menschen, die sich vegan ernähren, auch Themen wie Abfallvermeidung und Ressourcenschonung besonders wichtig sind, dann ist bei einer höheren Mobilisierung zum Bändern aus ideellen Beweggründen sogar ein Sinken der Nachfrage nach veganen Angeboten in der Mensa zu erwarten. Wer also das Geld hat und lieber über das Prinzip von Angebot und Nachfrage den Markt, und damit vielleicht ein gesellschaftliches Bewusstsein, beeinflussen will, der sollte lieber vegane Bio-Produkte kaufen oder gemeinnützige Umweltorganisationen unterstützen. Nachhaltige, bewusste und bezahlte Ernährung bzw. die Bewusstmachung der Verschwendung kann ebenfalls viel bewirken.
Trotz der rechtlichen Aspekte, die auch so ein abgesichertes Bändern ermöglichen, wäre die elegante Variante mit genug Interessenten bzw. deren Interessenvertretung den diesbezüglichen Dialog mit der Mensaleitung und dem Studentenwerk zu suchen. So kann eine Zusammenarbeit entstehen, die das Bändern weiter erleichtert.
Zu diesem Zweck sind alle Interessenten aufgefordert die TUUWI zu kontaktieren. Gerne könnt ihr dabei auch Fragen stellen, oder eure Anmerkungen zum Artikel teilen. Natürlich sind auch Erfahrungsberichte gerne gesehen, falls ihr bereits ein bisschen ausprobieren wollt.
[1] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburg-uni-verbietet-reste-essen-in-der-mensa-schluss-mit-baendern-a-1123514.html
[2] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburOscar Telschowg-studenten-essen-die-mensa-reste-der-kommilitonen-a-1086593.html
Beitragsbild: https://search.creativecommons.org/photos/cbd18b10-298f-4756-adde-cf6b539c55bb