Die “Too Good To Go”-App – eine kritische Begutachtung

Quelle: Too Good To Go

Ein Text von Maren Kaster

„Erreichen Sie neue Kundschaft“, „Verkaufen Sie bequem Ihre Überschüsse“, „Tun Sie der Umwelt etwas Gutes“. Mit diesen Versprechen lockt das Unternehmen der Too Good To Go – App Lebensmittelhändler*innen, um Partner zu finden. Anders herum betrachtet, werden Benutzer*innen dazu aufgerufen, Essen zu retten und damit die Umwelt zu schonen.  [1] Doch was genau steckt hinter Too Good To Go? Wie funktioniert die App? Und was bedeutet das Ganze für die teilnehmenden Unternehmen? Ich habe die App unter die Lupe genommen, mit verschiedenen Partnern der Dresdener Version gesprochen und uns außerdem gefragt, ob das Problem Lebensmittelverschwendung damit schon behoben ist.

Im abgelaufenen Wintersemester 2020/21 haben sich Studierende diverser Fachbereiche in verschiedenen Projekten im Rahmen des Moduls “reflektiert.engagiert” dem Namen getreu – reflektiert und engagiert. Das nach dem Service-Learning-Prinzip gestaltete Modul enstand aus einer Kooperation des Instituts für studium generale und der Tuuwi. Ich habe mich im Projekt “Starautor*in bei der Tuuwi werden” engagiert. Nachdem Vincent bereits über Papierverschwendung berichtet und Marlene sich zum Thema Lebensmittelrettung mit Foodsharing auseinandergesetzt hat, möchte ich mich heute einem weiteren Phänomen widmen, welches in den letzten Jahren zunehmend bei Restaurants, Imbissen und Bäckereien zu beobachten ist – die Kooperation mit dem dänischen Start-Up “Too God To Go”. In diesem Artikel teile ich Fakten und persönliche Erfahrungen mit der App Too Good To Go und erkläre wie das Ganze eigentlich funktioniert.

1/3 aller Lebensmittel landet nach Ladenschluss in der Mülltonne und das ist nicht nur schade um das leckere Essen, sondern auch noch schlecht für die Umwelt. Laut WWF braucht beispielsweise eine Ananas zwei Jahre Wachstumszeit bis sie genussreif ist. Anschließend wird sie aus Columbien oder Costa Rica nach Deutschland gebracht, um hier dann weggeworfen zu werden. [2] Das mag ein extremes Beispiel sein, macht aber deutlich wie viel Aufwand in der Lebensmittelproduktion stecken kann, bevor diese in unserem Magen landen – oder in der Mülltonne. 

Zahlen, Daten, Faken: Laut der Website des Unternehmens wird die Too Good To Go – App aktuell von etwa 5,1 Millionen Menschen in Deutschland genutzt, um Essen zu retten. 7,2 Millionen Portionen wurden seit März 2016 gerettet.

Wie sieht eine solche Portion aus? Das ist sehr unterschiedlich. Zum einen, weil die sogenannten Magic Bags immer mit Lebensmittel befüllt werden, die am Tag nicht verkauft wurden. Diese Überschüsse lassen sich nicht im Voraus bestimmen. Zum anderen nehmen sehr unterschiedliche Unternehmen als Partner an der App teil, wodurch das Essen stark variiert. 

Wer ist Partner bzw. kann einer werden? Auch das variiert je nach Standort, da die App in vielen Städten sowohl in Deutschland, als auch in anderen Länder verfügbar ist. Es nehmen große Ketten daran teil, wie beispielsweise Starbucks, das Backwerk oder Nordsee. Aber auch regionale Bäckereien, Hotels und Restaurants. Hier in Dresden kann man zum Beispiel bei der Bäckerei und Konditorei Tilo Grafe, im Café Achtsam und beim Quality Hotel Plaza Dresden Leckereien abholen. 

Magic Bag der Bäckerei und Konditorei Tilo Grafe, Foto: Maren Kaster

Wie läuft eine Bestellung bei Too Good To Go ab? Die App verfügt über eine interaktive Karte, auf der alle teilnehmenden Städte eingetragen sind. Hier kann man seinen Standort angeben und anschließend werden Nutzer*innen sämtliche Partner in der Region mit genauer Entfernung angezeigt. Man erhält Infos darüber welche Lebensmittel zu erwarten sind, in welchem Zeitfenster man sie abholen soll und ob es nötig ist eine Brotdose o. ä. mitzubringen (zum Beispiel bei Restaurants die ein Buffet anbieten). In den meisten Fällen reicht jedoch ein Jutebeutel aus. 

Good to know: Als Vegetarier oder Veganer kann man einen entsprechenden Filter verwenden.

Was kostet ein Magic Bag? Auch das ist unterschiedlich und hängt vom Unternehmen ab. Die meisten Portionen bewegen sich jedoch im Bereich zwischen 2,50 € und 6,50 € (Dresden). Für Nutzung und Download entstehen Verbrauchern übrigens keine Kosten. Pro Bestellung erhält die Firma Too Good To Go eine Kommission von einem Euro und verdient auf diese Weise an dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.

Gibt es Nachteile beim Kauf eines Magic BagsZum einen sollte jedem/jeder Lebensmittelretter*in bewusst sein, dass der Erhalt eines Bags niemals garantiert werden kann. Das bedeutet, auch wenn man eine übrig gebliebene Portion reserviert hat, ist es möglich, dass diese storniert wird. Schließlich kann kein Unternehmen garantieren, dass Reste entstehen. Das im Voraus bezahlte Geld wird natürlich zurückerstattet. Zum anderen gilt das Prinzip „first come, first serve“. Damit ist gemeint, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Bags gibt, die jeder Partner zu Verfügung stellt. Wenn diese vergeben sind, zeigt die App für den jeweiligen Partner „hier ist nichts mehr zu retten“ an. Diese beiden Punkte erscheinen in Anbetracht der Tatsache, dass es um die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung geht, verständlich. Was damit jedoch nichts zu tun hat, ist die Zahlungsart. Bei Too Good To Go ist es leider nicht möglich, mit Bargeld zu bezahlen, obwohl man ohnehin in das jeweilige Geschäft muss, um den Magic Bag abzuholen. 

Was sagen die Partner von Too Good To Go? „Mit der Zusammenarbeit mit Too Good To Go setzt Starbucks ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung. Ein nachhaltiger Betrieb unserer Coffee Houses liegt uns sehr am Herzen“, erklärt Frau Annick Eichinger, Corporate Affairs Manager Starbucks Central and Eastern Europe. „Dazu gehört auch, verantwortungsvoll mit Lebensmitteln umzugehen. Wir planen die Mengen von vorproduzierten Lebensmitteln wie Snacks sehr sorgfältig, trotzdem kann am Ende eines Geschäftstages etwas übrig bleiben. Mit too-good-to-go retten wir völlig einwandfreie Produkte vor der Mülltonne und tun so etwas Gutes für die Umwelt. Mit der Partnerschaft konnten im Jahr 2020 48.845 Portionen Lebensmittel gerettet werden.“ 

Auch Richard Grafe von der Bäckerei und Konditorei Tilo Grafe in Dresden zieht eine positive Bilanz: „Durch die Bekanntheit der App finden auch neue Kunden zu uns, die sich von unserer Qualität überzeugen ließen. Etwa 15 Personen retten bei uns jede Woche übrig gebliebene Backwaren.“ Gerade in Bezug auf Backwaren, ist aber auch eine andere Art und Weise der Weiterverarbeitung, wie beispielsweise die Herstellung von Semmelmehl möglich. 

Das Unternehmen der App war an dieser Stelle leider zu keinem Interview bereit.

Was ist eigentlich mit den Lebensmitteln im Haushalt? Erst einmal, ist es wichtig zu wissen, dass sich die Masse der tatsächlichen weggeworfenen Lebensmittel nur schwer ermitteln lässt. Trotzdem haben Studien zumindest ungefähre Daten ermitteln können. Beispielsweise zeigen Berechnungen der Universität Stuttgart, die sich auf das Jahr 2015 beziehen, dass private Haushalte mit Abstand am meisten Essen wegwerfen. [3] Von dort stammt mehr als die Hälfte (55 %) der Abfallmenge. Zum Vergleich: Die Gastronomie kommt auf 13 %. 

An dieser Stelle wird also deutlich, dass es nicht reicht eine App zu installieren und sich gut zu fühlen, weil man ab und an Lebensmittel vor der Mülltonne rettet. Stattdessen sind Selbstreflexion und die Bereitschaft an sich selbst zu arbeiten Grundvoraussetzungen. Durch entsprechende Initiativen wie „Zu gut für die Tonne“ des BEML, foodsharing, aber auch Medienberichterstattungen wurden Menschen mehr für Lebensmittelwertschätzung sensibilisiert. Dahingehend trägt auch Too Good To Go seinen Teil dazu bei. Der erste Schritt muss schließlich sein, auf ein Problem aufmerksam zu machen. Man wird wohl immer einen Bereich finden in dem etwas noch schlechter läuft, als in dem angesprochen. Das sollte aber weder die Motivation sein, noch wird es zur Lösung des Problems beitragen.  

Abschließend kann man argumentieren, dass Firmen, die ohnehin sehr groß sind und die auf den ersten Blick mit vielen Adjektiven fern von ‚nachhaltig‘ beschrieben werden können, durch eine App wie Too Good To Go noch mehr Profit machen und gleichzeitig Greenwashing betreiben. Natürlich wird es diese schwarzen Schafe geben. Aber sollte man es nicht auch mal von der anderen Seite betrachten?! Muss man nicht gerade diesen Unternehmen die Chance geben, es besser zu machen und ihnen auf diese Weise zeigen, dass Profit und Nachhaltigkeit zeitgleich möglich sind?! Ist nicht Gemeinsamkeit einer der Grundsätze von Nachhaltigkeit?! Am Ende des Tages sollte es das Wichtigste sein, überhaupt Lebensmittel gerettet zu haben. Und letztlich ist allen Retter*innen freigestellt, bei welchem Unternehmen sie ihren Magic Bag abholen möchten. 

 
 
 
[1] Wir retten Lebensmittel | Too Good To Go, zuletzt aufgerufen am 27.01.2021
[2] Lebensmittelverschwendung (wwf.de), zuletzt aufgerufen am 29.01.2021
[3] Pro Jahr in Deutschland: 13 Millionen Tonnen Essen im Müll (faz.net), zuletzt aufgerufen am 9.02.2021