Dresdner*innen gestalten heute ihre Stadt von morgen

Eine Woche lang eine autofreie Neustadt, essbare Pflanzen für alle in ganz Dresden, ein Restaurant, in dem aus weggeworfenen Lebensmitteln leckere Gerichte gezaubert werden. Klingt nach spielerischen Träumen? Klappt ja eh nicht? In Dresden werden sie Wirklichkeit. Im Rahmen des bundesweiten Städtewettbewerbs „Zukunftsstadt“ entwarfen zahlreiche Dresdner*innen Visionen für eine nachhaltige Stadtentwicklung – sozial gerecht, ökologisch vertretbar und unter Einbezug der UN-Nachhaltigkeitsziele. Seit 2015 tüftelten sie in drei Phasen an ihren Ideen, entwickelten Konzepte und eine konkrete Umsetzung im “Reallabor”. Heraus kamen dabei acht Projekte, mit denen die Stadt Dresden den Wettbewerb zusammen mit sieben weiteren Städten gewonnen hat. Fünf der spannenden Bürger*innen-Projekte haben sich bei uns im Rahmen eines City Cafés der Umweltringvorlesung Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt. am Montag genauer vorgestellt.

Alle Dresdner Gewinnerprojekte des Wettbewerbes im Überblick.

Da war Peter, der mindestens zwei größere Flächen im öffentlichen Raum sucht, um Beete für Obst und Gemüse anzulegen. Auf einem Stadtplan zeigte er potenzielle Gebiete dafür. „Essbares Stadtgründ – bürgerschaftliche gepflegt“ lautet der Projektname dafür.
Jaqueline stellte die Idee einer autofreien Neustadt für eine Woche im Jahr 2020 vor. Für eine Woche hat der motorisierte Individualverkehr woanders zu parken. Auf den Straßen sollen Kinder spielen, Nachbar*innen frühstücken, Bands spielen, Menschen auf einer Bank die Ruhe genießen. Eine zweite BRN wollen sie damit nicht erreichen, sondern die autofreien Straßen zum Alltag werden lassen. Natürlich bleibt der Zugang für Lieferfahrzeuge, Krankentransporte und ähnliches erhalten.
An einem anderen Tisch zeigte Maria Fotos von dem Projekt „Zur Tonne“. Rund ein Drittel aller Lebensmittel werden weltweit weggeworfen. Auch die Dresdner Tafel muss tonnenweise Lebensmittel wegwerfen, weil zu viel von den Supermärkten aussortiert wird. Dagegen will die Projektgruppe etwas tun. Momentan kochen sie aus den Lebensmitteln der Tafel für verschiedene Veranstaltungen. Die Vision ist es, ein Containerrestaurant im Neustädter Tafelladen zu eröffenen und jeden Abend zu kochen, damit auch Leute mit sehr geringen finanziellen Mitteln gutes und leckeres Essen genießen können.

Sigrid vom Projekt „Lebensraum Schule gemeinsam gestalten“ erklärt, wie der Schulraum von allen Beteiligten gemeinsam, kreativ und individuell gestaltet werden kann.

Matthias setzt an einer ganz anderen Stelle an. Er ist Teil des Projekts „Stadtteilfonds und -beiräte für nachhaltige und aktive Nachbarschaften“. Sie wollen eine weitere Ebene der Partizipation in der Johannstadt und in Pieschen einführen – die Stadtteilbeiräte. Diese stehen unterhalb der Stadtbezirksräte und werden demokratisch gewählt. Die Wahl läuft dabei jedoch ein bisschen anders ab: Zusammengesetzt wird der Beirat aus 10 Bürgervertreter*innen sowie 10 Vertreter*innen wichtiger Einrichtungen, die viermal jährlich gemeinsam über aktuelle Themen der
Stadtteilentwicklung beraten. Bei den Bürgervertreter*innen müssen jeweils eine Person über 60 Jahre alt sein, eine Person mit Migrationshintergrund, eine Person mit Behinderung, ein*e Ladenbesitzer*in, ein*e Freiberufler*in, eine jugendliche Person und noch zwei nicht näher spezifizierte Personen dabei sein. 2 Euro pro Einwohner*in hat dieser Stadtteilbeirat für Projekte zur Verfügung.
Sigrid stellte die Idee des Projekts „Lebensraum Schule gemeinsam gestalten“ vor. Gemeinschaftlich verwandeln Schulkinder, Lehrer und Lehrerinnen, Eltern und engagierte Bürger*innen das Außengelände einer Schule. Dabei lernen sie direkt und unmittelbar, wie demokratische Teilhabe funktioniert So wird die Betonwüste einer staatlichen Grundschule in einen lebendigen, kreativen, erholsamen Raum für alle verwandelt.

Aber wie soll das alles umgesetzt werden und wer finanziert das eigentlich? Die Umsetzung der Modellprojekte erfolgt mit Hilfe der Stadtverwaltung, der Forschung, verschiedener Interessenverbände und vor allem durch engagierte Bürger*innen selbst. Und gefördert werden diese Projekte durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Insgesamt stehen den Projekten über eine Million Euro zur Verfügung. Dass das alles beim zweiten Blick doch nicht so rosig scheint, erklärt Norbert Rost, freier Mitarbeiter des Zukunftsstadtprojektes. Da gab es immer wieder Schwierigkeiten mit langsamen Verwaltungsabläufen, ungeklärten Zuständigkeitsbereichen in den Institutionen, dem intensiven Zeiteinsatz der engagierten Bürger*innen, die nun schon seit drei an der Umsetzung ihrer Visionen ehrenamtlich sitzen oder Wissenlücken zwischen Forschung und Praxis.
Doch trotzdem sind die Projekte voller Motivation und setzen ihre Visionen in die Tat um. Dafür brauchen sie immer wieder Hilfe und weitere engagierte Teilnehmer*innen. Vielleicht wird eines der Projekte ja in eurer Nachbarschaft umgesetzt!

Die genaue Beschreibung aller Projekte sowie Kontaktlisten finden sich auf dieser Webseite:
Zukunftsstadt Dresden

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Text: Luisa Zenker und Theresa Zakrzewski
Bilder: Luisa Zenker

Spielend die Zukunft gestalten

Die Veranstaltung der Umweltringvorlesung “Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt” begann diese Woche mit einem Spiel mit der Ausgangsfrage “Wie kann unser Hörsaal verbessert werden?”. Zu Beginn bildeten die Anwesenden Zweier-Teams und tauschten sich über ihre Gefühle zum Raum aus- was gefällt, was ist schlecht und wie können die schlechten Dinge geändert werden? Schließlich sollten beide Gruppenmitglieder zu einem Konsens darüber kommen, was sie gern am Raum verändern möchten, um ihn besser zu machen. Dieser Prozess wurde in Gruppen zu viert und zu acht wiederholt. Schließlich sollten die im Konsens erarbeiteten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt und abschließend präsentiert werden. Im Fall von Raum 403 im HSZ boten beispielsweise die nackte Betonwand auf der einen Seite des Raumes, die Bestuhlung oder das Fehlen von Grünpflanzen Gestaltungspotenzial. Natürlich konnten keine tatsächlichen baulichen Veränderungen vorgenommen werden und so wurden die Ideen mit Grünpflanzen und viel Kreide verdeutlicht (siehe Titelbild und Galerie am Artikelende). So entstanden rückenfreundliche Stühle zum drehen, mehr Fenster, Wandbilder, Raumbegrünung und ein Balkon.

Referentin Silvia Hable beschreibt den Prozess des Oasis Games, vom Traum zum Wunder.

Der Name des Spiels lautet Oasis Game. Erfunden wurde es vor 15 Jahren vom Intituto ELOS in Brasilien und nimmt die Metapher einer Oase in der Wüste auf. Überall auf der Welt gibt es Orte, die zu kleinen Oasen umgestaltet werden können, und zwar durch die Menschen, die dort leben. Und überall auf der Welt wird das Oasis Game inzwischen gespielt. Auch in Deutschland organisiert der Verein Ideen³ erfolgreich Prozesse zur Gestaltung kleiner Oasen.

Der grobe Spielablauf eines Oasis Games.

Nach Beendigung der Kurzversion des eigentlichen Spiels im Hörsaal stellte unsere Referentin Silvia Hable, welche als Bildungsreferentin für nachhaltige Stadtentwicklung und Beteiligungskultur bei Ideen³ tätig ist, das Spiel in seinem ganzen Ausmaß vor. Es soll Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihren Lebensraum selbstständig und aktiv nach ihren Wünschen zu gestalten. Dabei lernen sie andere Menschen kennen und wertschätzen. Auf diese Weite stärkt das Oasis Game die Gemeinschaft und Nachbarschaft. Es dauert circa 7 bis 10 Tage, wobei sich die Spieltage auch über mehrere Wochen strecken können.  Jeder Tag stellt eine andere der sieben Spielphase da: Wahrnehmen, Begegnen mit dem Herzen, Träumen, Den Traum pflegen, Wunder, Feiern/ Wertschätzen, Größer träumen. Alle Teilnehmenden bekommen unterschiedliche Rollen, die sie auch tauschen können, sodass jede*r optimal integriert wird. Zum Einsatz kommen verschiedenste kreative Methoden wie World Café, Design Thinking, Musik und Kreistänze oder Traumkreise. Am Ende jedes Spiels steht ein Wunder- die neu geschaffene Oase, welche gefeiert wird. Die Einsatzszenarios des Spiels sind weit gefächert. Es kann als Katasrophenhilfe genutzt werden, bietet sich zur Leadership- und Persönlichkeitsentwicklung an, kommt aber auch bei der Stadt- und Gemeindeentwicklung, an Schulen und Universiäten zum Einsatz.

Das kurze Anteastern des Oasis Games im Hörsaal hat Lust auf mehr gemacht. Sicher können auch an der TU Dresden gemeinschaftlich Oasen gefunden werden!

Bock auf Mitmachen? Das nächste Oasis Game organisiert Ideen³ im Juli in Freiburg. Es werden noch Mitspieler*innen gesucht!
Bock auf Selbstmachen? Hier findet ihr eine Anleitung, um eurer eigenes Oasis Game auf die Beine zu stellen.

Eindrücke aus dem Oasis Game zur Umgestaltung des Hörsaals HSZ 403:

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Bilder und Text: Theresa Zakrzewski

Regiert Geld die Welt? Ein geldfreieres Leben ist möglich!

Frei sein. Frei zu tun und zu lassen was man will, zu gehen wohin man will, wie ein Vogel. Frei von allen Zwängen. Wer möchte das nicht? Doch wie schafft man sich ein freies, selbstbestimmtes Leben, das alle Möglichkeiten bereit hält?
Tobi Rosswog, Initiator des Projekt- und Aktionsnetzwerkes living utopia, hat davon eine genaue Vorstellung. Zwei Jahre lang hat er geldfrei gelebt und gibt sein Wissen und seine Erfahrungen seitdem an Unternehmen, Vereine und alle Interessierten weiter. Am 18. Juni war er als Referent unserer Umweltringvorlesung zu Gast in Dresden und gab den Studierenden eine Einführung zum Thema „Geldfreieres Leben. Wege in ein neues Miteinander“.
Nach Tobias Meinung haben wir alle die Möglichkeit, etwas weniger auf das Zahlungsmittel Geld angewiesen zu sein und dadurch freier zu werden. Dafür müssen wir die Grundgedanken unserer Gesellschaft überdenken. Denn geldfreier zu leben bedeutet beispielsweise auch, nicht mehr nach Stundenlohn arbeiten zu gehen, sondern das Arbeitspensum daran anzupassen, was jede*r Einzelne leisten will und kann.

Referent Tobias Rosswog im Gespräch mit den Teilnehmenden der Umweltringvorlesung

Geld durchzieht unser gesamtes Leben- mit Geld zahlen wir unsere Miete, kaufen wir unsere Lebensmittel und genießen wir Kultur. Ohne Geld keine neuen Kleidungsstücke, keine Fahrt mit dem Bus und kein Internet auf dem Handy. Spätestens seit der Entwicklung des Kapitalismus im Italien des 14. Jahrhunderts ist es zu einem essentiellen Bestandteil der meisten Gesellschaften auf diesem Planeten aufgestiegen, unterwirft uns seinen Zwängen, schenkt uns aber auch Freiheit.
Wer viel Geld besitzt hat ein unbesorgtes Leben und ihr oder ihm steht alles offen, oder? Das ist leider nur eine scheinbare Freiheit. Denn aus dem Privileg des Geldbesitzes wächst Verantwortung. Mit starker Finanzkraft kann in dieser Welt viel bewegt werden- zum Guten und Schlechten. Nur leider kommen die allermeisten wohlhabenden Menschen dieser Forderung nicht nach. Das meiste Geld fließt noch immer in Wirtschaftswachstum und dieses hat oft sehr umweltschädliche Gründe, z.B. Kriege und hohen und unreflektierten Konsum.

Wie extrem sich die Verhältnisse zwischen Besitz und Nicht-Besitz gestalten, demonstriert Tobi an diesem Beispiel: Die acht reichsten Männer der Welt besitzen so viel Geld wie 3,5 Milliarden Menschen. Das entspricht der Hälft der Erdbevölkerung. Die Ursache hierfür und das Hauptproblem des Geldes sieht unser Referent in der im Geld implementierten Tauschlogik: eine Leistung fordert immer eine gleichwertige Gegenleistung. Wer diese nicht erbringen kann, wird vom System ausgeschlossen. Und so verursacht das Geldsystem nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Krise.

Eine Empfehlung von Tobias Rosswog für alle, die sich mal aus einem anderen Blickwinkel mit Arbeit auseinandernsetzen wollen: das Buch “After Work. Radikale Ideen für eine Gesellschaft jenseits der Arbeit.”

Einen Ansatz um diese Krisen zu überwinden beschreibt Friederike Habermann in ihrem Buch “Ecommony”. Grundlegend hierfür ist, weniger Eigentum und mehr Besitz zu schaffen. Eigentum bezeichnet die rechtliche Beziehung zu etwas. Besitz hingegen beschreibt die soziale Beziehung. Wenn ich einen Stuhl besitze, kann ich auf ihm sitzen. Gehe ich weg kann jemand anderes kommen, den Stuhl benutzen und ihn so besitzen. Als Eigentümer/in des Stuhls kann man über den Stuhl bestimmen, verbieten darauf zu sitzen oder es nur gegen Gebühr erlauben. Mehr Besitz bedeutet also gemeinsame Güter- Commons, für die niemand bezahlen muss, weil sie allen gehören. Auf diese Weise herrscht mehr soziale Gerechtigkeit durch den gleichwertigen Zugang zu Ressourcen und Konsumgüter müssen seltener hergestellt werden, weil mehre Gruppen sich deren Nutzung teilen. Über sinnvolle Kommunikation können zusätzlich Arrangements geschlossen werden um, wenn nötig, längerfristigen Besitz zu regeln. Also überlegt beim nächsten Mal zweimal, ob ihr euch die Bohrmaschine, die ihr für 3 Löcher im Jahr braucht, wirklich selbst kauft. Sicher teilt auch gern jemand aus der Nachbarschaft die ihre/seine mit euch.

Noch zwei Mal habt ihr die Gelegenheit, euch zu interessanten Themen der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsalternativen zu informieren. Wenn ihr Lust habt, schaut hier vorbei:
URV Kapital is muss!? Wirtschaftsethik und -alternativen
Mittwochs, 16:40-18:10 Uhr
POT 112

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Bild und Text: Theresa Zakrzewski

Alternatives Wirtschaften

Am 29. Mai fand die Umweltringvorlesung Kapital is muss!? Wirtschaftsethik und –alternativen nicht als klassische Vorlesung sondern als Café statt. Bei einem solchen Café präsentieren sich verschiedene Gesprächspartner*innen an Tischen zwischen denen die Anwesenden in einem bestimmten Zeitrythmus wechseln und so alle miteinander ins Gespräch kommen. In diesem Fall konnten sie sich in gemütlicher Atmosphäre mit Vertreter*innen unterschiedlicher Initiativen unterhalten, die Wirtschaft neu denken- nachhaltiger, sozialer, zukunftsfähig.

An zwei Tischen präsentierten sich Dresdner Solidarische Landwirtschaften (SoLaWis). Bei diesem Konzept unterstützt man ein Jahr lang finanziell eine Bäuerin oder einen Bauern aus der Region und erhält im Gegenzug einmal die Woche eine Kiste mit saisonalen Lebensmitteln vom Hof, die man in Depots abholen kann. Solidarität entsteht so nicht nur mit den Landwirt*innen, sondern auch mit den Verbraucher*innen- je nach Lebenssituation kann ein individueller Beitrag gewählt werden, wodurch z.B. auch Studierende problemlos an dieser Art der regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft teilhaben können. Das Prinzip des solidarischen Landwirtschaftens zwischen Verbraucher*innen und Landwirt*innen haben wir ausführlich in diesem Artikel behandelt.

Ebenfalls vertreten war die regionale Währung Elbtaler. Mit dieser soll der Wertschöpfungskreislauf von Geldausgaben für Produktion und Verkauf in der Region gehalten werden. Transportwege beispielsweise bleiben kurz und lokale Kleinunternehmen mit ihren Produkten und Dienstleistungen werden unterstützt. Wenn man den Elbtaler innerhalb einer bestimmten Frist nicht ausgibt, verfällt sein Wert. Auf diese Weise soll das Geld immer im Umlauf bleiben und nicht gehortet werden, sodass neues Geld gedruckt werden muss. Perspektivisch soll der Elbtaler den Euro als regionales Zahlungsmittel ergänzen. Ziel ist die Etablierung regionaler Währungen überall in Deutschland. In Dresden beteiligen sich am Elbtaler z.B. bereits Bäckereien, Handwerksbetriebe und ein Energieanbieter.

Circa 20 Teilnehmende informierten sich beim Café über Ansätze zu nachhaltigem Wirtschaften in Dresden.

Die Gemeinwohlökonomie Dresden hat ein alternatives, nicht finanzbasiertes Konzept zur Bilanzierung vom Unternehmen entworfen. Mithilfe einer fortlaufend weiterentwickelten Matrix können sich Unternehmen bewerten lassen und anhand der erreichten Punktzahl sehen, wie sehr sie zum Gemeinwohl beitragen. Null Punkte stehen dabei für den gesetzlichen Standard. Auch Werte unter Null sind also möglich. Möchte sich ein Unternehmen die eigene Gemeinnützigkeit zertifizieren lassen kann das die Gemeinwohlökonomie Dresden durch ausgebildete Berater*innen und Zertifizier*innen übernehmen.

Schließlich gehörte auch eine Gruppe der TU Dresden zu den anwesenden Initiativen, die Hochschulgruppe “Netzwerk Plurale Ökonomie“. Die Hochschulgruppe übt Kritik an der Beschränkung der Lehre an der TUD im Bereich Volkswirtschaftslehre (VWL) auf die sogenannte Neoklassik. Diese Strömung hat sich im 20. Jahrhundert durchgesetzt, weil sie die Wirtschaftslehre stark mathematisiert und wie eine Naturwissenschaft betrachtet. Auf diese Weise lassen sich mit den neoklassischen Modellen Annahmen über menschliches Verhalten auf dem Markt (Konsument*innen und Produzent*innen) treffen und daraus Formeln darüber aufstellen, wie unsere Wirtschaft funktioniert. Allerdings entsprechen diese Annahmen nicht der Realität. Beispielsweise ist die Betrachtung des Menschen als „homo oeconomicus“ (Kaufentscheidungen werden immer nach dem niedrigsten Preis getroffen) zu vereinfacht gedacht, Preis und Qualität korrelieren, wie in der Neoklassik angenommen, keinesfalls immer und insgesamt lassen sich die zweidimensionalen Berechnungen nur schwer auf die reale Welt übertragen, da viele wichtige Faktoren, wie beispielsweise der Mensch selbst, ausgeklammert werden. Die Hochschulgruppe versucht, bei den Studierenden der VWL ein Bewusstsein für die Beschränktheit der momentanen Lehre und ihre Nachteile zu schaffen und alternative Betrachtungsweisen der Wirtschaft an unserer Universität zu fördern und etablieren.

Ihr interessiert euch für Wirtschaft, studiert vielleicht in dieser Richtung oder wollt einfach so mehr darüber erfahren, wie man Wirtschaft und Nachhaltigkeit miteinander verbinden kann? Dann kommt zu den nächsten Terminen der Umweltringvorlesung:
immer Mittwochs, 16:40 bis 18:10 im POT 112

Hier geht’s zum vollständigen Programm der Umweltringvorlesung

Bits&Bäume – Warum sich die Hacking- und die Ökobewegung stärker vernetzen sollten

Vermutlich gibt es derzeit so viele Subkulturen, wie nie zuvor: Fans und Aktive diverser Sportvereine und Sportarten, Musikfans, Auto-Tuner/innen, die LARP- und Mittelalter-Szene, Briefmarkensammler/innen, Hobbygärtner/innen, Religiöse Menschen, Partypeople, usw. Natürlich können sich die Gruppen auch beliebig überschneiden und sind in sich auch nicht homogen. Zwei dieser Subkulturen können mit “Hacker/innen- und Nachhaltigkeitsbewegung” einigermaßen umschrieben werden.

Beide befassen sich mit den beiden existenziellen Herausforderungen unserer Zeit: die einen mit der Digitalisierung und all ihren potentiellen gesellschaftlichen Verwerfungen, die anderen mit Nachhaltigkeit, also mit der Frage wie Zivilisation langfristig lebenswert und kompatibel mit den Naturgesetzen gestaltet werden kann.

Beide Communities haben jeweils spezielle Probleme erkannt und schlagen spezielle Lösungsansätze vor. Beide Gruppen leiden darunter, dass sie aus ihrer jeweils eigenen Blase nur sehr schwer rauskommen, was das Erzielen von Aufmerksamkeit für Probleme und vor allem für Lösungsansätze angeht. Beide haben in der Vergangenheit spezifische Erfahrungen gesammelt, Kompetenzen aufgebaut, Netzwerke geknüpft. Darum liegt es nahe, die beiden bisher weitgehend isolierten Blasen in Austausch zu bringen. Dieser Aufmerksamkeitsschub könnte auf beiden Seiten Frustration abbauen und Motivation erzeugen. Dabei können und müssen beide Communities viel über ihre Kommunikation lernen. Z.B.: “Wie kann man den FridaysForFuture-Schüler/innen erklären, dass WhatsApp und Instagram keine solide Basis für eine Nachhaltigkeitsbewegung darstellen?”, und “Wie schafft man unter den Teilnehmenden der GulaschProgrammierNacht ein Bewusstsein für die mit Fleischkonsum einhergehenden Probleme?”.

Diese kommunikativen Lernprozesse sind anstrengend, aber sie bieten das Potential, die Reichweite in den Rest der Gesellschaft zu vergrößern. Der erste absehbare Schritt dafür ist es, die wahrgenommenen Probleme so zu erklären, dass sie auch außerhalb der eigenen Blase nicht nur oberflächlich zur Kenntnis genommen (“Jährlich ein neues Smartphone zu kaufen, ist ökologisch nicht so cool.”) sondern in ihrer vollen Tragweite erkannt werden (“Die aktuelle Produktions- und Nutzungsweise von Elektronikgeräten wandelt unter teils unwürdigen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen mit enormem Energieaufwand wertvolle Rohstoffe in giftigen Abfall um – bei gleichgültiger Inkaufnahme blutiger Konflikten und massiver Umweltschäden.”).

Die Konferenz “Bits&Bäume 2018” hat einen sehr wichtigen Beitrag zu dieser notwendigen Vernetzung geleistet. Jetzt kommt es auf die Communities an, diesen Faden aufzunehmen und weiterzuspinnen statt ihn im Alltagsrauschen abreißen zu lassen. Die Organisator/innen der Konferenz rufen dazu auf, eigene lokale Veranstaltungen zum Themenkomplex Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu organisieren, die Sensibilisierung und den Vernetzungsgedanken in die Fläche zu tragen.

Die erste solche Veranstaltung – die Bits&Bäume Dresden – wird im Rahmen der Festwoche “30 Jahre TU-Umweltinitiative am 23.05. an der TU Dresden stattfinden, organisiert von vier Bits-und-Bäume-Teilnehmer/innen, u.a. unter Mitwirkung der Hochschulgruppe für Freie Software und Freies Wissen. Neben einem spannenden Vortrag und Diskussionsmöglichkeiten an verschiedenen Thementischen wird es reichlich Gelegenheit zur Vernetzung geben. Möge das der Auftakt zu vielen Bits&Bäume-Seitentrieben sein und damit ein Schritt auf dem Weg, die Digitalisierung vom Teil des Nachhaltigkeis-Problems zum Teil der Lösung zu machen.

Text: Carsten (B&B-DD-Orgateam, http://dresden.bits-und-baeume.org/)

Studis, die auf Bänder starren

Ein Gastbeitrag von Oscar Telschow

Einführung
Vor etwa anderthalb Jahren begann ich im Auslandssemester in Korea (Nein, Süd-) zu studieren. Dort fielen mir nicht nur die deutlich höheren Lebensmittelpreise auf – die deutschen Dumpingpreise werden, nach meinen bisherigen Erfahrungen, in der ersten Welt selten unterboten – ich konnte außerdem beobachten, dass viele der dortigen Studierenden ihre Mahlzeiten nicht einmal zur Hälfte aufaßen, obwohl diese zum Teil über 5 € pro Portion gekostet hatten.
Um beide Probleme – höhere Lebenshaltungskosten und das Verschwenden der Mahlzeitenreste – mit eine Klappe zu schlagen, begann ich nach einer Weile mit ein paar Freunden in der dortigen Mensa zu “bändern”. Damals kannte ich den Begriff selbst noch nicht. Bändern bezeichnet das sich annehmen nicht aufgegessener Speisen in Mensen (oder anderen Großküchen). Dabei stellt man sich neben die Geschirrrückgabe und fragt die gesättigten Personen, ob man die Überbleibsel ihres Menüs an sich nehmen könne – oder man nimmt sich die Lebensmittel direkt vom Band. Im Ausland kostete es vergleichsweise wenig Überwindung, denn ich war ohnehin der merkwürdige Ausländer. Vielleicht war das ganz normal wo ich herkam. Das ist allerdings, wie wir alle wissen, nicht der Fall. Hier in Deutschland kostet es ungleich mehr Willenskraft sich neben das Fließband zu stellen. Dieser Artikel versucht das Thema von verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten, die Leser zu ermutigen und die Menschen zu vernetzen, die bändern wollen.

Beweggründe
Wie in der Einleitung schon anklang, gibt es in erster Linie zwei gute Gründe das Bändern in Betracht zu ziehen. Da ist der ideelle Grund der Abfallvermeidung und Ressourcenschonung, denn jedes Lebensmittel muss aufwändig produziert und jeder Abfall kostenpflichtig entsorgt werden. Im Gegensatz zu anderen Abfallprodukten lässt sich nicht aufgegessenes Essen auf diese Weise direkt seinem eigentlichen Verwendungszweck zurückführen. Es ist kein aufwändiges Recycling erforderlich. 😉
Besonders für Studierende mag aber auch der finanzielle Gesichtspunkt ein schwerwiegender sein, denn wer bändert, der zahlt nicht nur nichts für sein Essen – er bekommt in den Dresdener Mensen auch vergleichsweise hochwertige Kost. Das macht das Thema auch für die Studierenden interessant, die aufgrund der gestiegenen Preise den Mensen in letzter Zeit fern blieben.

Jüngere Historie und Position der Mensa
Hierzulande scheint das Bändern, im Vergleich zum recht ähnlichen Containern, noch weitgehend unbekannt zu sein. Trotzdem findet man online [1], ein Beispiel von der Uni Freiburg aus dem Jahre 2016, an der fast ein Jahr lang mit etwa 40 Leuten gebändert wurde. Doch nach schon einem Jahr griff die Mensa ein,denn für sie existieren diesbezüglich mehrere rechtliche Probleme und Grauzonen, die auch den Bänderern bewusst sein sollten[2].
Wie bereits erwähnt, hat auch die Mensa ein Interesse daran, dass weniger Abfälle erzeugt werden, da sie diese kostenpflichtig entsorgen lassen muss. Hinzu kommt, dass das nicht aufgegessene Essen mit Abstellen des Tabletts in die Geschirrrück-gabe wieder in das Eigentum der Mensen übergeht, die diversen Hygienevor-schriften unterliegen und daher schon einmal aus[2]gegebenes Essen nicht erneut ausgeben dürfen.

Varianten
In der Zeltmensa habe ich, kurz nach meiner Rückkehr, das Bändern ausprobiert und Erfahrungen gesammelt, die mich dazu brachten, die TUUWI auf dieses Thema anzusprechen.

Ich probierte drei Varianten des Bänderns, die alle Vor- und Nachteile haben:

Die „klassische“ Variante
Bei der „klassischen“ Variante stellt man sich neben das Geschirrrückgabeband, wartet bis Tabletts mit gefüllten Tellern abgestellt werden und nimmt sich diese direkt vom Tablett. So ergibt sich innerhalb von fünf bis zehn Minuten (Erfahrung aus der Zeltmensa) eine reichliche Mahlzeit.
Vorteile: hoher Ertrag; geringer Aufwand; keine Kommunikation mit Menschen erforder-lich (wenn man einen stressigen Tag hatte, kann das auch mal ganz nett sein)
Nachteile: rechtlich nicht abgesichert, evtl. bittet die Mensaleitung um Unterlassung (Erfahrung aus der Zeltmensa)

Die „offensive“ Variante
Wer kommunikativ ist und eine sicherere Variante fahren will, der kann sich ebenfalls in die Nähe der Geschirrrückgabe stellen und sein Essen etwas eher abfangen. Insbesondere wenn sich eine Schlange bildet, hat man genug Zeit nach vollen Tellern Ausschau zu halten und die Besitzer anzusprechen. Meist reagieren diese zwar überrascht, aber freundlich und entgegenkommend. Zu aufdringliches Nachfragen kann aber als Belästigung gedeutet werden, was wiederum zu Ermahnungen führen könnte (bisher nicht passiert).
Vorteile: hoher Ertrag; rechtlich sicherer
Nachteile: erfordert evtl. Überwindung; erzeugt maximale Aufmerksamkeit

Die „unauffällige“ Variante
Will man sich vorsichtig an das Thema herantasten, kann man das Bändern im kleinen Stil als Ergänzung zur normalen Mensaportion nutzen. Man geht “ganz normal” in die Mensa essen, achtet aber aus dem Augenwinkel darauf, ob an den umliegenden Tischen Menschen aufstehen, die nicht aufgegessen haben. Wenn man diese dabei direkt anspricht, hat man schnell und ohne viel Aufwand/ Aufsehen einen zweiten Gang ergattert.
Vorteile: Schnell; einfach; risikoarm
Nachteile: Spart kaum Kosten; ineffektiv

Gesundheitliche Risiken
Hat man sich für eine dieser Varianten entschieden und seine Mahlzeit auf dem Teller, ist man schon fast am Ziel. Es gibt allerdings doch ein paar gesundheitliche Vorkehrungen zu treffen.
Grundsätzlich handelt es sich bei gebändertem Essen in der Mensa immer noch um frische und unbedenkliche Lebensmittel. Allerdings sind Tablett, Teller, Nahrung und insbesondere das Besteck mit einer meist unbekannten Person in Berührung gekommen, die potentiell Krankheitserreger darauf verteilt haben könnte. Darum besteht hier Ansteckungsgefahr.
Der wohl effektivste Weg eine akute Erkrankung auszuschließen, ist das persönliche Gespräch. Spricht man ohnehin die Person an, um ihr Essen zu bekommen, kann man bei dieser Gelegenheit im Zweifelsfall nachfragen, ob sie krank ist bzw. wird sie das erfahrungsgemäß von sich aus sagen. Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme ist aber IMMER frisches und eigenes Besteck zu benutzen. Außerdem sollte man vom Verzehr absehen, wenn Servietten/ Taschentücher in die Mahlzeit gedrückt oder auf dem Teller abgelegt wurden.

Gedankenanstöße und Kritik
Wenn man versucht Abfall zu vermeiden, Ressourcen zu schonen, Umweltbelastung zu verringern und Tierleid zu boykottieren führen viele Wege nach Rom. Und ich habe häufig erlebt, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige getan habe und doch eine andere Verhaltens- oder Lebensweise effektiver, effizienter oder in anderer Weise überlegen war. Wer bändert kann dabei nicht trivial eine vegane/vegetarische Ernährungsweise aufrecht erhalten. Darüber hinaus verliert man, aus wirtschaftlicher Sicht, die Möglichkeit die Nachfrage in der Mensa zu steuern. Im Gegenteil – folgt man der These, dass den Menschen, die sich vegan ernähren, auch Themen wie Abfallvermeidung und Ressourcenschonung besonders wichtig sind, dann ist bei einer höheren Mobilisierung zum Bändern aus ideellen Beweggründen sogar ein Sinken der Nachfrage nach veganen Angeboten in der Mensa zu erwarten. Wer also das Geld hat und lieber über das Prinzip von Angebot und Nachfrage den Markt, und damit vielleicht ein gesellschaftliches Bewusstsein, beeinflussen will, der sollte lieber vegane Bio-Produkte kaufen oder gemeinnützige Umweltorganisationen unterstützen. Nachhaltige, bewusste und bezahlte Ernährung bzw. die Bewusstmachung der Verschwendung kann ebenfalls viel bewirken.
Trotz der rechtlichen Aspekte, die auch so ein abgesichertes Bändern ermöglichen, wäre die elegante Variante mit genug Interessenten bzw. deren Interessenvertretung den diesbezüglichen Dialog mit der Mensaleitung und dem Studentenwerk zu suchen. So kann eine Zusammenarbeit entstehen, die das Bändern weiter erleichtert.
Zu diesem Zweck sind alle Interessenten aufgefordert die TUUWI zu kontaktieren. Gerne könnt ihr dabei auch Fragen stellen, oder eure Anmerkungen zum Artikel teilen. Natürlich sind auch Erfahrungsberichte gerne gesehen, falls ihr bereits ein bisschen ausprobieren wollt.

[1] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburg-uni-verbietet-reste-essen-in-der-mensa-schluss-mit-baendern-a-1123514.html
[2] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburOscar Telschowg-studenten-essen-die-mensa-reste-der-kommilitonen-a-1086593.html

Beitragsbild: https://search.creativecommons.org/photos/cbd18b10-298f-4756-adde-cf6b539c55bb

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