30 Jahre Umweltschutz von Dresdner Studierenden

Programm der Festwoche? Hier entlang!

Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern, die Falken haben die Plakate entdeckt und selbst der letzte unausgeschlafene Siebenschläfer hat das erste Gemurmel vernommen:

Die tuuwi wird 30!

Kaum zu glauben, das, was sich als unscheinbare lose Verbindung einzelner Studierender in den späten 80ern gründete, ist heute immer noch da. Aber was ist dieses Ding eigentlich, die tuuwi? Diese Frage ist die schwierigste, wenn wir Neuzugänge bei unseren Plena haben und am Ende die Frage gestellt wird, wer wir eigentlich sein…

Ganz trocken könnte man antworten: Wir sind eine AG des StuRa, vertreten Interessen der Studierendenschaft in Umweltangelegenheiten, beginnend bei Umweltschutz endend bei Umweltbildung und machen dazwischen ganz viel mehr, sind eigentlich doch ziemlich losgelöst von StuRa-Aktivitäten und Verpflichtungen. Müssen aber dennoch jedes Jahr einen Bericht gegenüber der Kommission Umwelt und damit dem Rektorat ablegen und so weiter und so weiter. Am Ende wirkt diese Definition unzureichend und ziemlich unübersichtlich.

Ein wichtiger Teil der Tuuwi und Ort des Workshops “Verwendung von Duft-, Färbe- und Textilpflanzen” in der Festwoche: unser Garten mit den Hochbeeten

Ein weiterer Versuch ist dann zunächst, über unsere Mitglieder einen Erklärungsversuch zu starten: „Wir sind eine lose Verbindung von Menschen, die keine feste Agenda verfolgen und teilweise sehr unabhängig voneinander agieren. Wir schicken niemanden weg, haben Studierende, Mitarbeiter der TUD und auch Externe in unseren Reihen – dabei dient die tuuwi eher als Plattform um coole Projekte oder Arbeitsgruppen zu gründen.“

Aha! Ihr macht also Projekte und habt Arbeitsgruppen. Was machen die denn so? Wir machen ganz viel! Angefangen bei Umweltbildung mittels Umweltringvorlesungen (URV) und Umweltfilmabenden, über Diskussionsrunden bis zu politischen Aktionen wie der Kohlekubus… [dem geneigten Blogleser sei an dieser Stelle die stundenlange Erklärung erspart und stattdessen auf die Internetseite verwiesen ;-)].

Und während der fiktive tuuwi gerade so am Erklären ist, fällt auf, dass wir viele dieser Dinge schon immer machen. Laut unserer Chronik startete die erste URV in den frühen 90ern. 1992 gab es die erste Fahrradaktion am dies academicus, die Forderung an eine umweltbewusste Mensa mit mehr Glas und weniger Plastikflaschen, weniger Fleischgerichten und mehr Abwechslung und die Forderung nach mehr Bio-Lebensmitteln folgte um die Jahrtausendwende herum.

Die Einweihnung unseres Kohlekubus zur Demonstration der Luftverschmutzung durch den Strom den die Universität bezieht

Das ist die tuuwi! Gelebter Umweltschutz, nicht einseitig, sondern gespickt durch kritisches Fragen, gestützt durch Bildung und verkündet durch lustigen Aktionen. Apropos lustige Aktionen – die Spatzen pfeifen nicht grundlos von den Dächern, denn sie haben schon das Festprogramm gelesen und wissen was in der Woche vom 20.-26. Mai auf sie zu kommt:

  • Interaktive Workshops
  • Filmabende
  • Konzerte
  • Vorträge
  • Eine Pflanzentauschbörse
  • Und vieles mehr!

Ihr wollt wissen, was die Spatzen noch alles pfeiffen? Dann schaut auf der Seite unserer Festwoche vorbei: 30 Jahre tuuwi-Festwoche

[Update: Zu unserer Festwoche war als Ehrengast auch unser Rektor Prof. Hans-Müller-Steinhagen erschienen. Seine Festrede findet ihr hier zum Nachlesen.]

Studis, die auf Bänder starren

Ein Gastbeitrag von Oscar Telschow

Einführung
Vor etwa anderthalb Jahren begann ich im Auslandssemester in Korea (Nein, Süd-) zu studieren. Dort fielen mir nicht nur die deutlich höheren Lebensmittelpreise auf – die deutschen Dumpingpreise werden, nach meinen bisherigen Erfahrungen, in der ersten Welt selten unterboten – ich konnte außerdem beobachten, dass viele der dortigen Studierenden ihre Mahlzeiten nicht einmal zur Hälfte aufaßen, obwohl diese zum Teil über 5 € pro Portion gekostet hatten.
Um beide Probleme – höhere Lebenshaltungskosten und das Verschwenden der Mahlzeitenreste – mit eine Klappe zu schlagen, begann ich nach einer Weile mit ein paar Freunden in der dortigen Mensa zu “bändern”. Damals kannte ich den Begriff selbst noch nicht. Bändern bezeichnet das sich annehmen nicht aufgegessener Speisen in Mensen (oder anderen Großküchen). Dabei stellt man sich neben die Geschirrrückgabe und fragt die gesättigten Personen, ob man die Überbleibsel ihres Menüs an sich nehmen könne – oder man nimmt sich die Lebensmittel direkt vom Band. Im Ausland kostete es vergleichsweise wenig Überwindung, denn ich war ohnehin der merkwürdige Ausländer. Vielleicht war das ganz normal wo ich herkam. Das ist allerdings, wie wir alle wissen, nicht der Fall. Hier in Deutschland kostet es ungleich mehr Willenskraft sich neben das Fließband zu stellen. Dieser Artikel versucht das Thema von verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten, die Leser zu ermutigen und die Menschen zu vernetzen, die bändern wollen.

Beweggründe
Wie in der Einleitung schon anklang, gibt es in erster Linie zwei gute Gründe das Bändern in Betracht zu ziehen. Da ist der ideelle Grund der Abfallvermeidung und Ressourcenschonung, denn jedes Lebensmittel muss aufwändig produziert und jeder Abfall kostenpflichtig entsorgt werden. Im Gegensatz zu anderen Abfallprodukten lässt sich nicht aufgegessenes Essen auf diese Weise direkt seinem eigentlichen Verwendungszweck zurückführen. Es ist kein aufwändiges Recycling erforderlich. 😉
Besonders für Studierende mag aber auch der finanzielle Gesichtspunkt ein schwerwiegender sein, denn wer bändert, der zahlt nicht nur nichts für sein Essen – er bekommt in den Dresdener Mensen auch vergleichsweise hochwertige Kost. Das macht das Thema auch für die Studierenden interessant, die aufgrund der gestiegenen Preise den Mensen in letzter Zeit fern blieben.

Jüngere Historie und Position der Mensa
Hierzulande scheint das Bändern, im Vergleich zum recht ähnlichen Containern, noch weitgehend unbekannt zu sein. Trotzdem findet man online [1], ein Beispiel von der Uni Freiburg aus dem Jahre 2016, an der fast ein Jahr lang mit etwa 40 Leuten gebändert wurde. Doch nach schon einem Jahr griff die Mensa ein,denn für sie existieren diesbezüglich mehrere rechtliche Probleme und Grauzonen, die auch den Bänderern bewusst sein sollten[2].
Wie bereits erwähnt, hat auch die Mensa ein Interesse daran, dass weniger Abfälle erzeugt werden, da sie diese kostenpflichtig entsorgen lassen muss. Hinzu kommt, dass das nicht aufgegessene Essen mit Abstellen des Tabletts in die Geschirrrück-gabe wieder in das Eigentum der Mensen übergeht, die diversen Hygienevor-schriften unterliegen und daher schon einmal aus[2]gegebenes Essen nicht erneut ausgeben dürfen.

Varianten
In der Zeltmensa habe ich, kurz nach meiner Rückkehr, das Bändern ausprobiert und Erfahrungen gesammelt, die mich dazu brachten, die TUUWI auf dieses Thema anzusprechen.

Ich probierte drei Varianten des Bänderns, die alle Vor- und Nachteile haben:

Die „klassische“ Variante
Bei der „klassischen“ Variante stellt man sich neben das Geschirrrückgabeband, wartet bis Tabletts mit gefüllten Tellern abgestellt werden und nimmt sich diese direkt vom Tablett. So ergibt sich innerhalb von fünf bis zehn Minuten (Erfahrung aus der Zeltmensa) eine reichliche Mahlzeit.
Vorteile: hoher Ertrag; geringer Aufwand; keine Kommunikation mit Menschen erforder-lich (wenn man einen stressigen Tag hatte, kann das auch mal ganz nett sein)
Nachteile: rechtlich nicht abgesichert, evtl. bittet die Mensaleitung um Unterlassung (Erfahrung aus der Zeltmensa)

Die „offensive“ Variante
Wer kommunikativ ist und eine sicherere Variante fahren will, der kann sich ebenfalls in die Nähe der Geschirrrückgabe stellen und sein Essen etwas eher abfangen. Insbesondere wenn sich eine Schlange bildet, hat man genug Zeit nach vollen Tellern Ausschau zu halten und die Besitzer anzusprechen. Meist reagieren diese zwar überrascht, aber freundlich und entgegenkommend. Zu aufdringliches Nachfragen kann aber als Belästigung gedeutet werden, was wiederum zu Ermahnungen führen könnte (bisher nicht passiert).
Vorteile: hoher Ertrag; rechtlich sicherer
Nachteile: erfordert evtl. Überwindung; erzeugt maximale Aufmerksamkeit

Die „unauffällige“ Variante
Will man sich vorsichtig an das Thema herantasten, kann man das Bändern im kleinen Stil als Ergänzung zur normalen Mensaportion nutzen. Man geht “ganz normal” in die Mensa essen, achtet aber aus dem Augenwinkel darauf, ob an den umliegenden Tischen Menschen aufstehen, die nicht aufgegessen haben. Wenn man diese dabei direkt anspricht, hat man schnell und ohne viel Aufwand/ Aufsehen einen zweiten Gang ergattert.
Vorteile: Schnell; einfach; risikoarm
Nachteile: Spart kaum Kosten; ineffektiv

Gesundheitliche Risiken
Hat man sich für eine dieser Varianten entschieden und seine Mahlzeit auf dem Teller, ist man schon fast am Ziel. Es gibt allerdings doch ein paar gesundheitliche Vorkehrungen zu treffen.
Grundsätzlich handelt es sich bei gebändertem Essen in der Mensa immer noch um frische und unbedenkliche Lebensmittel. Allerdings sind Tablett, Teller, Nahrung und insbesondere das Besteck mit einer meist unbekannten Person in Berührung gekommen, die potentiell Krankheitserreger darauf verteilt haben könnte. Darum besteht hier Ansteckungsgefahr.
Der wohl effektivste Weg eine akute Erkrankung auszuschließen, ist das persönliche Gespräch. Spricht man ohnehin die Person an, um ihr Essen zu bekommen, kann man bei dieser Gelegenheit im Zweifelsfall nachfragen, ob sie krank ist bzw. wird sie das erfahrungsgemäß von sich aus sagen. Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme ist aber IMMER frisches und eigenes Besteck zu benutzen. Außerdem sollte man vom Verzehr absehen, wenn Servietten/ Taschentücher in die Mahlzeit gedrückt oder auf dem Teller abgelegt wurden.

Gedankenanstöße und Kritik
Wenn man versucht Abfall zu vermeiden, Ressourcen zu schonen, Umweltbelastung zu verringern und Tierleid zu boykottieren führen viele Wege nach Rom. Und ich habe häufig erlebt, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige getan habe und doch eine andere Verhaltens- oder Lebensweise effektiver, effizienter oder in anderer Weise überlegen war. Wer bändert kann dabei nicht trivial eine vegane/vegetarische Ernährungsweise aufrecht erhalten. Darüber hinaus verliert man, aus wirtschaftlicher Sicht, die Möglichkeit die Nachfrage in der Mensa zu steuern. Im Gegenteil – folgt man der These, dass den Menschen, die sich vegan ernähren, auch Themen wie Abfallvermeidung und Ressourcenschonung besonders wichtig sind, dann ist bei einer höheren Mobilisierung zum Bändern aus ideellen Beweggründen sogar ein Sinken der Nachfrage nach veganen Angeboten in der Mensa zu erwarten. Wer also das Geld hat und lieber über das Prinzip von Angebot und Nachfrage den Markt, und damit vielleicht ein gesellschaftliches Bewusstsein, beeinflussen will, der sollte lieber vegane Bio-Produkte kaufen oder gemeinnützige Umweltorganisationen unterstützen. Nachhaltige, bewusste und bezahlte Ernährung bzw. die Bewusstmachung der Verschwendung kann ebenfalls viel bewirken.
Trotz der rechtlichen Aspekte, die auch so ein abgesichertes Bändern ermöglichen, wäre die elegante Variante mit genug Interessenten bzw. deren Interessenvertretung den diesbezüglichen Dialog mit der Mensaleitung und dem Studentenwerk zu suchen. So kann eine Zusammenarbeit entstehen, die das Bändern weiter erleichtert.
Zu diesem Zweck sind alle Interessenten aufgefordert die TUUWI zu kontaktieren. Gerne könnt ihr dabei auch Fragen stellen, oder eure Anmerkungen zum Artikel teilen. Natürlich sind auch Erfahrungsberichte gerne gesehen, falls ihr bereits ein bisschen ausprobieren wollt.

[1] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburg-uni-verbietet-reste-essen-in-der-mensa-schluss-mit-baendern-a-1123514.html
[2] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/freiburOscar Telschowg-studenten-essen-die-mensa-reste-der-kommilitonen-a-1086593.html

Beitragsbild: https://search.creativecommons.org/photos/cbd18b10-298f-4756-adde-cf6b539c55bb

Veröffentlicht in Blog

Was geht am Zelleschen Weg?!

Unter diesem Titel lud der Studentenrat Dresden am Montag, den 06. Mai, zur Podiumsdiskussion auf dem Campus der TU Dresden ein. Eingeladen waren Johannes Lichdi vom Bündnis 90/ Die Grünen, Gunther Thiele von der CDU, Prof. Udo Becker vom Lehrstuhl für Verkehrsökologie der TU Dresden, Frau Prof. Irene Lohaus vom Institut für Landschaftsarchitektur der TU Dresden und David Färber vom Referat Mobilität des Studentenrates Dresden. Die Moderation erfolgte durch Eric Hattke, Geschäftsführer der Sächsischen Bibliotheksgesellschaft.
Der Einladung folgten circa 400 Menschen, in erster Linie die direkt betroffenen Studierenden der Universität.

Zu Beginn wurden die bisherigen Ereignisse und Planungen rund um den Zelleschen Weg dargestellt. So ist der Zellesche Weg Teil des Stadt-Projektes Stadtbahn 2020 und soll mit einer eigenen Straßenbahnlinie versehen werden, die perpektivisch die bisherige Buslinie 61 auf dem Campus ablöst. Zur Debatte steht, ob die gleichzeitige Neuplanung der Straße zu einer Verbreiterung der Fahrspuren und Verkleinerung der Radwege (Vorzugsvariante von CDU und FDP) führt oder zur Verkleinerung der Fahrspuren und Vergrößerung der Radwege (Vorzugsvariante von LINKE, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD). Beide Positionen werden durch zwei verschiedene Statistiken über den prognostizierten Verkehr auf der Straße in den kommenden Jahren gestützt. Eine Prognose weißt auf ein erhötes Verkehrsaufkommen, die andere auf ein verringertes hin. Fakt ist jedoch, wie Prof. Becker erklärt: Die Bautätigkeiten selbst bestimmen letztlich, wie attraktiv die Strecke für welches Verkehrsmittel wird. Wir können die Prognose also selbst gestalten.

Visualisierung des Projektes 1 der Stadtbahn Dresden 2020: Der Zellesche Weg (Foto: DVB AG)

Und eins ist klar: Für eine klimafreundliche Zukunft und die Minimierung des Klimawandels gibt es nur eine Lösung: Der Autoverkehr muss langfristig reduziert werden. Auch für Prof. Lohaus, welche maßgeblich am sogenannten Masterplan zur zukünftigen Gestaltung des Campus der TU Dresden beteiligt ist, gibt es keine Alternative. Denn der Campus soll für Studierende und Mitarbeitende nutzbarer werden. Der Zellesche Weg bildet hier eine wichtige Achse.

Das Publikum diskutierte angeregt mit und viele offene Fragen konnten beantwortet werden. Am Ende des Abends kannten alle Anwesenden die Argumente der verschiedenen Seiten und können nun selbst entscheiden, welcher Variante sie den Vorzug geben. Das wichtigeste dabei ist, wie Prof. Becker mehrmals betonte: Die Entscheidung über den Verbleib des Zelleschen Weges fällt nicht in der Podiumsdiskussion, sondern maßgeblich bei der Kommunalwahl am 26. Mai.

Text und Bild: Theresa Zakrzewski

Bis auf’s letzte Hemd

Am 26. und 27. April fanden bei uns wieder einmal Projekttage statt, diesmal zum Thema Kleidung. Seit Beginn unserer Vorlesungsreihe „Nachhaltiger Alltag“ geisterte das Thema in unseren Köpfen herum, war aber zu groß, um im Rahmen einer neunzigminütigen Vorlesung mehr als nur an der Oberfläche angekratzt zu werden. Kleidung ist alltäglich und allgegenwärtig. Wir tragen sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir essen und trinken; meist ohne mehr als einen flüchtigen Gedanken daran zu verschwenden, wie sie ins Ladenregal gekommen sind. Dass in der Textilbranche Mensch und Umwelt ausgebeutet werden, ist kein Geheimnis. Trotzdem kaufen Menschen in Deutschland durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke im Jahr, während gleichzeitig die Tragedauer stetig abnimmt.[1] Wie kann es zu einer solchen Diskrepanz zwischen unserem Konsumverhalten und dem Wissen zu den Herstellungsprozessen unserer Kleidung kommen?

Ziel der Projekttage war es, sich einmal ein Wochenende lang intensiv mit Fragen zu beschäftigen, für die im Alltag meistens keine Zeit bleibt. Wo kommt all die Kleidung her? Welchen Textillabeln kann ich vertrauen? Und welche Alternativen haben wir eigentlich?

Freitag: Was ist los in der Textilindustrie?

Eine Alternative zeigten wir gleich am Anfang auf. Ein großer Kleidertausch im Hörsaalzentrum bildete den Auftakt zu den Projekttagen. Dort konnten alle Menschen alte, aber noch gute Kleidung loswerden und sich auch gleich nach passendem Ersatz umsehen – kostenlos natürlich, ein Gewinn für alle Beteiligten. Während auf der einen Seite munter Kleidung begutachtet, probiert und herumgealbert wurde, veranstalteten die Hochschulpiraten im gleichen Raum ein Repair-Café.

Am Abend begann dann der fachliche Teil der Projekttage. Vivien Tauchmann vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen stellte die Clean Clothes Campaign vor und sprach über das Rana Plaza-Unglück vom 24. April 2013, bei welchem 1.134 Textilarbeiter*innen in Bangladesch bei einem Gebäudeeinsturz ums Leben kamen. Und auch im Jahr 2019 ist Ausbeutung in der Textilbranche ein profitables Geschäft. So hatte H&M eigentlich angekündigt, seinen rund 850.000 Beschäftigten bis Ende 2018 existenzsichernde Löhne zu zahlen. Die Kampagne #TurnAroundH&M macht nun darauf aufmerksam, dass der Konzern sein Versprechen bislang nicht wahr gemacht hat.[2]
Eine gänzlich andere Perspektive brachte Frau Dr. Lisa Koep ein, welche an der Professur für BWL an der TU Dresden arbeitet und sich auf Nachhaltigkeitsmanagement und betriebliche Umweltökonomie spezialisiert hat. In ihrem Vortrag sprach sie über die Schwierigkeiten im Lieferkettenmanagement und bei der Kontrolle vom Umweltstandards.
Zum Abschluss des Abends stellte Linda Kolata von Greenpeace Dresden schließlich die Detox-Kampagne vor, welche sich gegen gesundheitsgefährdende Chemikalien in Kleidung sowie den Einsatz und die Entsorgung von Umweltgiften bei der Textilherstellung richtet. Greenpeace will damit einerseits die Konzerne verpflichten, ihre Produktionsketten fair und umweltfreundlich zu gestalten, und andererseits mehr Transparenz für die Verbrauchenden schaffen.[3]

Samstag: Der Umgang mit unserer Kleidung

Am Samstag fanden dann in kleinerer Runde die Workshops statt. Zunächst einmal wurde sich mit der Frage beschäftigt, was eigentlich mit gespendeter Kleidung passiert und ob es unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten überhaupt sinnvoll ist, Kleidung im Spendencontainer zu entsorgen. Dabei traten teils erschreckende Geschichten zu Tage. Nicht nur, dass gespendete Kleidung zu großen Teilen von EU-Ländern aufgekauft und von dort nach dem jeweiligen Zustand gestaffelt in entlegenere Weltregionen exportiert wird, wo die billigere Konkurrenz die lokale Textilverarbeitung vom Markt verdrängt. Es werden sogar erneut in Mode gekommene Kleidungsstücke aussortiert und wieder in die Spendenländer reimportiert, um sie dort zu verkaufen.[4]

Im zweiten Workshop-Teil setzten wir uns dann einmal intensiv mit drei beispielhaft ausgewählten Kleidungsstücken auseinander und versuchten, deren Produktionsweg zurückzuverfolgen. So ein T-shirt kommt ganz schön herum auf unserem Planeten. 36% des Mikroplastiks in den Meeren stammt aus der Textilindustrie, wiederum 49% der global produzierten Kleidung besteht aus Chemiefaser. Eine Jeans wird im Schnitt gerade einmal zwei Jahre lang getragen.

All das ließ uns ein wenig ratlos zurück. Müssen wir als Verbrauchende wirklich jedem einzelnen Kleidungsstück hinterherrecherchieren, und uns über existenzsichernde Löhne, Umweltgifte, Ressourcen, Lieferketten und Textilverarbeitung belesen, um nicht dem Greenwashing eines Bekleidungskonzerns auf den Leim zu gehen? Textillabel gibt es wie Sand am Meer, aber welchen davon ist zu trauen?
Einige, wie z.B. das OEKO-TEX-Standardlabel haben mit Umweltschutz gar nichts zu tun. Sie kennzeichnen nur die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Produkts, wobei der Name mehr als irreführend sein kann. Die FAIR WEAR-Foundation wiederum hat sehr hohe soziale Standards, kümmert sich aber weniger um ökologische Kriterien, während es sich bei blueSign genau umgekehrt verhält. Das Fairtrade-Label hingegen berücksichtigt sowohl ökologische als auch soziale Aspekte.[5]

Fazit

Was wir bei alldem aber nicht vergessen sollten, ist die Suffizienz. Denn Textillabel und mehr oder minder bindende Versprechen von um ihr Image bemühten Konzernen erzeugen auch immer eine Illusion von Kontrolle, die wir als Verbraucher*innen nicht haben. Das Ende der Massenproduktion von Textilien ist ohne Selbstbeschränkung nicht zu erreichen. Indem wir Kleidung zum Beispiel seltener waschen (eine Jeans sollte nicht häufiger als alle zwei Wochen gewaschen werden), nutzt sie langsamer ab. Reparieren stellt immer noch eine weitaus bessere Option dar, als wegwerfen. Kleidung, die nicht mehr passt oder gefällt, kann bei einem Kleidertausch verschenkt werden. Allein die Tragedauer eines Kleidungsstücks bis auf ein Maximum auszureizen, sollte selbstverständlich sein. Und wie viel Kleidung benötigt ein Mensch überhaupt? 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr – das bedeutet auf lange Sicht entweder einen expandierenden Kleiderschrank oder 60 weggeworfene Altkleider. Ein Luxus, den wir uns nur leisten können, wenn andere Menschen dafür ausgebeutet werden. Aber Verzicht ist keineswegs so negativ, wie viele gerne glauben. Dass Konsum allein nicht glücklich macht, sollten wir inzwischen gemerkt haben – und unser Handeln daran anpassen. Dann wird unsere Kleidung am Ende auch wieder die Wertschätzung gewinnen, die sie verdient.

Text: Dennis Biba
Foto: Pexels auf Pixabay

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[1] https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s01951_greenpeace_report_konsumkollaps_fast_fashion.pdf
[2] https://saubere-kleidung.de/turnaroundhm/
[3] https://www.greenpeace.de/kampagnen/detox
[4] Hansen, Karen (2004): Helping or Hindering? Controversies around the international second-hand clothing trade. In: Anthropology Today. Vol 20/4. August 2004.
–>Richter, Sabine: Nutzen von Kleiderspenden. Was Altkleider aus Deutschland für Afrika bedeuten. In: Die Wohnungswirtschaft September 2015.
[5] https://www.publiceye.ch/de/themen/mode/labels-und-standards

Die moderne Stadt als Rührei

STADT. Das ist das Gegenteil von Land. Es gibt Klein-, Mittel-, Großstädte. Sie entstehen meist an größeren Kreuzungspunkten, werden von den verschiedensten Akteur*innen geprägt und bringen ab einer bestimmten Größe den Fluch und Segen der Anonymität mit sich. So oder ähnlich, aber auch ganz anders kann man eine Stadt beschreiben. Denn Städte sind unheimlich vielfältig und im ständigen Wandel begriffen, was ihre bewusste Beeinflussung zu einer anspruchvollen Aufgabe macht. Und damit steckt man auch schon mitten in der Problematik des Städtebaus, dem Thema der letzten Umweltringvorlesung “Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt” am 15.04.

Unter dem Titel “Von der Polis zur Metropolis und regionalen Agglomerationsräumen” führte Frau Prof. Angela Mensing-de Jong, Inhaberin der Professur für Städtebau an der TU Dresden, die Anwesenden in das komplexe Gebilde Stadt ein, gab einen Überblick zu Faktoren, die das Stadtleben bestimmen und zeigte Herausforderungen des heutigen Städtebaus auf. Eine grafisch sehr ansprechende Variante, um darzustellen welche Metamorphose Städte im Laufe der Zeit durchliefen, entwicklelte der Architekt Cedric Price (1934- 2003). Danach hatten Städte der Antike noch eine klar geordnete Struktur mit einem Zentrum und einer harten Außengrenze. Mit der Zeit schwommen die Strukturen immer mehr und gingen ineinander über, sodass man im Zustand des Rühreis- der heutigen, modernen Stadt- schließlich nicht mehr erkennt, wo sich das Zentrum und wo die Randgebiete befinden.

Vom gekochten Ei über das Spiegelei zum Rührei. So beschreibt der Architekt Cedric Price die Veränderungen in der Entwicklung von Städten über die Jahrunderte hinweg.

Städte lassen sich über verschiedene Parameter analysieren. Die Lage, Historie, Struktur, Funktion und Gesellschaft einer Stadt sind immer anders und zeichen gemeinsam ein ausführliches und einzigartiges Bild. So sagen die Lage und die topografischen Gegebenheiten etwas über die Ursprünge einer Stadt aus. Dresden entstand beispielsweise an einer leicht passierbaren Stelle der Elbe. Die Geschichte lässt sich anhand von Schichten und Fragmenten früherer Zivilisationen untersuchen, während man für die Struktur Haustypologien, Zonierungen oder die natürlichen Grenzen einer Stadt heranzieht. Auch die (ursprüngliche) Funktion lässt sich untersuchen, anhand der Gestaltung von Quartieren .

Durch die zahlreichen Betrachtungsmöglichkeiten, welche Frau Mensing-de Jong dem Publikum vorstellte, erhielt man einen guten Eindruck davon, wie komplex und vielschichtig menschliche Siedlungen aufgebaut sind. Zwei einschneidende Ereignisse in der jüngeren Geschichte der Stadtentwicklung stellen die Industrialisierung und der zweiten Weltkrieg dar. Durch beide gingen bisher vorhandene Strukturen oft zu großen Teilen verloren und wurden durch neue ersetzt. Und auch in der heutigen Zeit sind wieder neue Lösungen für die aktuellen Herausforderungen gefragt. Deutsche Städtebauer*innen sehen sich durch den demografischen Wandel und das anhaltende Wachstum von Metropolregionen gleichzeitg mit Expansion und Rückbau in den Städten konfrontiert. Nachhaltigkeit als Gestaltungungsfaktor und damit die Frage nach einem Strukturwandel weg vom Auto rücken zunehmend in den Vordergrund. Neue Arbeits-, Wohn- und Mobilitätsformen, zunehmende Warenströme und Digitalisierung müssen berücksichtigt werden.

Die Stadt ist ein Abbild der Zeit und Ausdruck der in ihr lebenden Gesellschaft. Es liegt also an uns, sie lebenswert zu gestalten und den Zukunfts(t)raum zur Realität zu machen.

Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt
Jeden Montag
16:40 bis 18:10
HSZ 403

Nächstes Thema: 25.04. Exkursion- Tiere in der Stadt mit Harald Wolf (Landeshauptstadt Dresden, Mitarbeiter für Artenschutz Untere Naturschutzbehörde)

Text: Theresa Zakrzewski
Bild: ddpix.de

Stadtentwicklung kritisch betrachten- Wie das geht und warum es für unsere Zukunft wichtig ist

“Was ist eure utopische Stadt?” Mit dieser Frage begann die erste Vorlesung der Umweltringvorlesung “Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt”. Die Ideen der Studierenden waren zahlreich: eine autofreie Stadt, grüne Dächer, mehr urbane Gärten, öffentliche Trinkwasserbrunnen, mehr Gemeinschaft in der Nachbarschaft und eine behindertengerechte Stadt sind nur einige der Zukunftsträume. Angelehnt daran startete Dr. Matthias Naumann von der Professur Didaktik der Geographie an der TU Dresden und Mitherausgeber des Buches “Kritische Stadtgeographie” seinen Vortrag über kritische Stadtforschung. Was ist Stadtforschung überhaupt? Wozu brauchen wir sie? Und ist Wissenschaft nicht immer kritisch?

São Paulo- eine der vielen Megacities die bereits weltweit existieren. 2020 wird es voraussichtlich 27 der Riesenstädte geben. (Quelle: joelfotos, pixabay)

Dr. Naumann zitiert hierbei Judith Butler: Bei der Kritik geht es „nicht darum, gegen diese oder jene staatliche
Forderung Einspruch zu erheben, sondern darum, nach der Ordnung zu fragen, in der eine solche Forderung lesbar und möglich wird“ (Deutsche Zeitschrift für Philosophie 50 (2), S. 249-265.). Die Kritische Stadtforschung ist also normativ. Sie will Forderungen stellen und Zustände nicht als gegeben hinnehmen, sie will alternative Konzepte von Stadt entwickeln und das Recht auf Stadt auch marginalisierter Gruppen einfordern, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Stadt.

Die Debatte um die kritische Stadtforschung scheint endlos und die Themen sind vielfältig: Es geht um postkoloniale oder feministische Ansätze. Es geht um Wohnen und Mobilität, um Infrastruktur, Sicherheit und Gentrifizierung. Als aktuelles Beispiel geht Dr. Naumann auf Smart Cities ein. “Heute ist doch alles smart – die Smart Watch, das Smarte Haus, die Smarte Stadtverwaltung”, beginnt er. Eigentlich ist das Ziel des Stadtentwicklungsprogramms gut: Über das Werkzeug Digitalisierung sollen eine hohe Lebensqualität, eine effiziente und sichere Versorgung, sowie eine niedrigschwellige, transparente Verwaltung geschaffen werden. Aber die Smart City hat auch ihre Schattenseiten. So erfolgt eine digital gestützte Überwachung und Kontrolle der Stadt. Privatisierung und Unternehmensorientierung prägen die Entwicklung. Ethisch gesehen ist das Modell also diskutabel. Unabhängig davon gibt es auch in Dresden Bestrebungen zur Entwicklung der Ladeshauptstadt zur Smart City.

Dr. Naumanns Empfehlung: “Smart Cities. Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten” von Sybille Bauriedl und Anke Strüver (Hg.) (2018, transcript)

Schließlich beendet Dr. Naumann seinen Vortrag mit einer Frage ans Auditorium: Welche positiven Beispiele einer Smart City gibt es? Eine Studentin bringt transparente Verwaltungsvorgänge (z.B. Livestreams von Stadtratssitzungen oder öffentliche Dokumente) an. Ein anderer Student verweist auf Elektromobilität im ÖPNV. Die Smart City ist also nicht per se schlecht, sollte aber auch nicht unhinterfragt in den höchsten Tönen gelobt werden.

Über Leben im Zukunfts(t)raum Stadt
Jeden Montag
16:40 bis 18:10
HSZ 403

Nächstes Thema: Von der Polis zur Metropolis und regionalen Agglomerationsräumen. Mit Prof. Angela Mensing-de Jong (Professur für Städtebau, TU Dresden)

Text: Luisa Zenker und Theresa Zakrzewski